Mit der Reform des Kapitalanlegermusterverfahrensgesetzes (KapMuG) geht es voran. Da die aktuelle Fassung nur noch bis Ende August dieses Jahres gilt, hat die Bundesregierung im März ihren "Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes" vorgelegt. Bereits Anfang April wurde dieser im Kabinett in erster Lesung beraten. 

Das Anliegen des Gesetzgebers ist klar: Weil sich KapMuG-Verfahren meist über viele Jahre hinziehen, soll die Reform für Tempo sorgen. So mancher Jurist hatte sich von der anstehenden Überarbeitung gleichzeitig jedoch auch mehr Biss erhofft. Doch wie schon der im Dezember 2023 vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) präsentierte Referentenentwurf kommt auch die Regierungsversion alles andere als scharf daher. Und ob die geplanten Änderungen dem Verfahren mehr Tempo verleihen werden, ist fraglich. 

Verkürzte Fristen
Eine Beschleunigung soll unter anderem durch die Verkürzung bestimmter Fristen erreicht werden. Die erste Frist, die geändert werden soll, ist der Zeitraum zwischen dem Antrag auf Einleitung eines KapMuG-Verfahrens und dem sogenannten Vorlagebeschluss. Beantragt wird das Musterverfahren durch einen Anwalt oder auch mehrere Kanzleien beim Landgericht (LG) am Sitz des Beklagten. 

"Für die Beantragung eines Musterverfahrens muss dem LG ein erster Kläger genannt werden", erläutert Christian Conreder, Rechtsanwalt und Leiter Kapitalanlagerecht in der Hamburger Niederlassung der Rechtsanwaltsgesellschaft Rödl & Partner. Die Klage wird dann im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers veröffentlicht. "Diese Frist soll nun auf zwei Monate verkürzt werden", so Conreder. "Im Sinne der Verfahrensbeschleunigung ist das durchaus positiv zu werten", findet er.

Zwei Monate sind realitätsfern
Martin Kühler, Anwalt bei der Tilp Rechtsanwaltsgesellschaft aus Kirchentellinsfurt, sieht die geplante Änderung hingegen kritisch. Denn er zweifelt daran, dass die kürzere Frist in der Praxis einzuhalten ist. "Das Landgericht muss jede Klage einzeln prüfen", gibt er zu bedenken. Bei komplexen Sachverhalten warteten die Gerichte zudem häufig die Klageerwiderung der Gegenpartei ab. "Das dauert, daher ist es realitätsfremd, anzunehmen, zwei Monate würden für die Prüfungen ausreichen", erläutert der Tilp-Jurist.

Sind mindestens zehn gleichgerichtete Klagen im Register veröffentlicht, übersendet das zuständige Landgericht dem Oberlandesgericht (OLG) einen Vorlagebeschluss. Das Dokument enthält eine Liste mit allen Tatsachen- und Rechtsfragen, über die das OLG entscheiden soll. Der Vorlagebeschluss wird öffentlich bekannt gemacht, das OLG eröffnet das KapMuG-Verfahren und sucht nun nach einem Musterkläger. Dieser steigt mit seinem Anwalt stellvertretend für die gesamte Klägergemeinschaft in den Ring.

Musterkläger schneller bestimmen
Bisher vergeht bis zur Bestimmung des Musterklägers oft viel Zeit. Das OLG kann diesen auch unter Klägern suchen, die erst nach Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses auf den Plan treten. Der Klägerkreis kann sehr groß sein. Denn Klagen in derselben Sache, die innerhalb von sechs Monaten ab Eröffnung eingereicht werden, nehmen wie alle zuvor eingegangenen automatisch am Verfahren teil.

Die Reform soll mit diesem Automatismus nun Schluss machen. "In Zukunft sollen Klagen in ein KapMuG-Verfahren nur dann eingebunden sein, wenn dies extra beantragt wird", erklärt Anwalt Conreder. Die Frist für die Antragstellung soll bereits zwei Monate nach der Eröffnung enden. Auch das soll für mehr Tempo sorgen.

Heikle Regelung
Anwalt Kühler erachtet die geplante Neuregelung als heikel. "Wer die Frist verpasst, hat zwar immer noch die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche im Klagewege geltend zu machen", sagt der Experte. In diesem Fall kann die Gegenseite aber die Aussetzung verlangen. Wird einem solchen Antrag stattgegeben, wird – genau wie bei allen Klagen, die Teil des Musterverfahrens sind – nicht mehr verhandelt, bis das KapMuG-Urteil gesprochen ist.

Sollte es für die Anleger positiv ausfallen, profitiert der Einzelkläger nicht davon, da die Entscheidung keine Bindungswirkung für sein Verfahren entfaltet. "Dieses wird dann vor dem Landgericht weitergeführt, das kostet Zeit und Geld", so Kühler. "Geradezu tragisch wäre es, wenn in der Einzelklage trotz eines positiven KapMuG-Urteils eine für den Kläger nachteilige Entscheidung erginge", sagt er. (am)


Einen ausführlichen Bericht über die geplanten KapMuG-Änderungen finden Sie in der aktuellen Ausgabe 1/2024 von FONDS professionell ab Seite 426. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.