Gewerbliche Finanzberater werden bald die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden erheben müssen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am vergangenen Freitag (11.11.) den Entwurf für eine Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) veröffentlicht. Dieser sieht vor, dass die Pflicht zur Ermittlung der ESG-Präferenzen auch Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis gemäß Paragraf 34f Gewerbeordnung (GewO) und Honorar-Finanzanlagenberater nach Paragraf 34h GewO treffen soll. Bislang waren sie davon ausgenommen. Anlageberater bei Banken, Vermögensverwalter sowie Versicherungsvermittler hingegen müssen die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden bereits seit dem 2. August dieses Jahres abfragen. 

Der Hintergrund für die Verzögerung liegt in einer Besonderheit des deutschen Rechts. Die Pflicht zur Nachhaltigkeitspräferenzabfrage basiert auf einer Änderungsverordnung für die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II. Mifid II und die nachgelagerten Verordnungen gelten unmittelbar aber nur für Banken und Wertpapierinstitute. 34f-Vermittler und 34h-Berater fallen gemäß Paragraf 2, Absatz 6, Nummer 8, Buchstabe "d" und "e" des Kreditwesengesetzes unter eine Bereichsausnahme. Mifid II gilt für Berater mit 34f/h-Erlaubnis daher nicht unmittelbar.

Starrer Verweis
Der deutsche Gesetzgeber hat die wichtigsten Vorgaben von Mifid II aber über die FinVermV auch für gewerbliche Berater verbindlich gemacht. Und zwar über einen Verweis in der FinVermV auf Artikel 54 der Delegierten Verordnung 2017/565. Das Problem hinsichtlich der Einführung der ESG-Präferenzabfrage war, dass der Bezug auf Artikel 54 in der Delegierten Verordnung über einen starren Verweis auf den Stand dieser Verordnung mit den Änderungen durch die Verordnung (EU) 2017/2294 erfolgte. Kurz gesagt: Spätere Änderungen der Verordnung 2017/565 wurden durch den Verweis nicht erfasst.

Nun aber hat das BMWK den in Paragraf 11a, Absatz 3, Satz 3 der FinVermV vorgesehenen starren Verweis auf die Delegierte Verordnung 2017/565 in einen dynamischen Verweis auf die jeweils geltende Fassung der EU-Verordnung geändert. "Durch diese Änderungen unterliegen künftig auch Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater gemäß Paragraf 34f und 34h GewO der Pflicht, im Rahmen der Anlageberatung zu Finanzanlageprodukten Informationen über die Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden zu erfragen und diese bei der vorzunehmenden Eignungsbeurteilung zu berücksichtigen", schreibt das Ministerium in einer Mitteilung.

Verbände begrüßen Änderungen
"Wir begrüßen es, dass das Ministerium den seit Beginn der Präferenzabfragepflicht bestehenden Systemfehler endlich korrigiert", kommentiert Martin Klein vom Vermittlerverband Votum den Entwurf. Er fährt fort: "Klar ist aber: Aufgrund der weiterhin unvollständigen Datenlage – die auch von den Aufsichtsbehörden Bafin und EIOPA eingeräumt wurde – wäre es für alle Berater besser gewesen, wenn der Start erst im Frühjahr 2023 erfolgt wäre. Das hatte Votum von Anfang an gefordert."

"Als Verband der unabhängigen Finanzdienstleister, die ihre Kunden oft produktübergreifend, also im Allfinanzgedanken beraten, begrüßen wir die kommende Änderung sehr. Der bisherige Zustand war absurd", ergänzt Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung. Im Rahmen der Beratung zu Versicherungsanlageprodukten, welche Investmentfonds enthalten, müssen die Präferenzen abgefragt werden, bei der Beratung zu Einzelfonds aber derzeit nicht. "Alle 34f-Vermittler sind damit aber spätestens jetzt dringend aufgefordert, sich mit dem Thema Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz zu beschäftigen. Das heißt: Beschäftigung mit dem Thema ESG ist spätestens jetzt unabdingbar. An Qualifikation dazu führt kein Weg vorbei. Es ist keine Frage mehr des Ob, sondern nur noch des Wie."

Umsetzung im März 2023?
Ab welchem Zeitpunkt Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater die Nachhaltigkeitsabfrage vornehmen müssen, ist noch nicht klar. Votum rechnet damit, dass sich der Bundesrat im Laufe der ersten Plenarsitzungen im neuen Jahr mit dem Entwurf für die geänderte FinVermV auseinandersetzen wird. Sofern es nicht zu allzu großen Verzögerungen im Gesetzgebungsprozess kommt, sei mit einer Veröffentlichung der geänderten Verordnung im Bundesanzeiger für März 2023 zu rechnen. (jb)