Die Finanzbranche schaut unruhig nach Brüssel. Die EU-Kommission überprüft im Rahmen einer neuen Kleinanlegerstrategie, ob sie ein europaweites Provisionsverbot in der Anlageberatung vorschlagen wird. Verena Ross, Chefin der EU-Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, plädiert in einem Interview mit der "Börsen-Zeitung" dafür, die Bedürfnisse und den Schutz der Anleger im Auge zu behalten – das sei das Wichtigste. In der aktuellen Debatte um Greenwashing setzt die ESMA-Chefin insbesondere auf "Daten und mehr Transparenz".

Ross betont in dem Gespräch, dass ihre Behörde schon vor einigen Jahren im Rahmen eines Mifid-Reviews darauf gedrungen habe, dass sich die EU-Kommission eindringlich mit dem Thema Provisionsverbot auseinandersetze. "Die Frage ist doch, wie wir die Anlageberatung aufstellen können, um Konflikte zu vermeiden und die Anleger am besten zu schützen", stellte sie gegenüber der Zeitung klar. 

Einheitliche Standards für Europa
Das Problem ist aus Sicht der ESMA, dass es in den EU-Ländern unterschiedliche Regeln zur Anlageberatung gebe. In den Niederlanden gilt zum Beispiel schon ein Provisionsverbot. "Aus ESMA-Perspektive ist es schon wichtig, hier einen einheitlichen Rahmen zu schaffen. Denn sowohl Anleger als auch Firmen, die Finanzprodukte anbieten, wollen oft auch die Möglichkeit, sich grenzüberschreitend am Kapitalmarkt beteiligen zu können. Für uns ist es daher extrem wichtig, dass wir im Binnenmarkt auch gemeinsame Lösungen und einheitliche Standards für Europa finden", so Ross. 

Ross verwies weiter darauf, dass in den letzten Jahren die Investitionen von Privatanlegern gestiegen sind. "Gerade in der Pandemiezeit hat das niedrige Zinsniveau dazu geführt, dass sich mehr Privatpersonen auch mit Anlagemöglichkeiten beschäftigt haben", erläuterte sie. Man müsse sehen, wie man hier langfristig die richtigen Strukturen schaffen könne, um den Privatanleger bei seinem Wunsch, sich am Kapitalmarkt zu beteiligen, zu unterstützen.

Komplexes Regelwerk
Unterstützung brauchen Anleger auch bei nachhaltigen Investments – und beim Problem Greenwashing. "Wir haben in Europa ein relativ komplexes Regelwerk, das sich auch noch in der Entwicklung befindet. Gleichzeitig haben wir eine enorme Nachfrage nach Nachhaltigkeitsprodukten", so Ross. "Diese Kombination kreiert natürlich einen schwierigen Rahmen." Die ESMA und die beiden anderen europäischen Finanzregulierungsbehörden EBA und EIOPA schauen nun zunächst einmal, "was hier eigentlich das Problem ist, wie groß es ist und wo es am relevantesten ist".

Sie kündigte aber auch Schritte an. "In den nächsten ein bis zwei Jahren werden wir wahrscheinlich drei Hauptthemen haben: Zum einen geht es darum, mit Daten und mehr Transparenz gegen Greenwashing vorzugehen. Zweitens wollen wir mehr im Bereich der Aufsicht. Und drittens wollen wir natürlich weiterhin auch das Risiko im Bereich von Sustainable Finance beobachten." (jb)