Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ein wichtiges Urteil gefällt, das Versicherungsvermittler zur Kenntnis nehmen sollten (Az. C 907/19, Urteil vom 25. März). Relevant ist der Richterspruch vor allem für diejenigen, die für eine Versicherungsgesellschaft nicht nur deren Produkte vertreiben, sondern auch andere Dienstleistungen für sie übernehmen. Die Berater sollten darauf achten, wie sie verschiedene Services abrechnen, um Streitigkeiten mit dem Finanzamt zu vermeiden, betont Daniel Ziska, Vorstand der Steuerberatungsgesellschaft GPC Tax, im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE. 

Problematisch ist vor allem, wenn Dienstleistungen gebündelt als eine Einheit in Rechnung gestellt werden und nicht klar ist, welche die Hauptleistung ist, nach der sich die steuerliche Behandlung richtet. Zur Erinnerung: Nur die eigentliche Vermittlung ist von der Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent befreit. "Der EuGH hat in seinem Urteil erneut klargestellt, dass eine Dienstleistung nicht von der Umsatzsteuer befreit wird, wenn die Kerndienstleistung dafür nicht die Voraussetzung erfüllt", so Ziska. Unter Umständen hat das Finanzamt eine andere Meinung darüber, was die Haupt- und was die Nebenleistung ist – und man findet sich wie im vorliegenden Fall vor Gericht wieder.

Anti-Piraten-Police
Das Urteil hat eine längere Vorgeschichte: Ein im Urteilstext als Q-GmbH bezeichneter Assekuradeur entwickelte 2011 ein Versicherungsprodukt, mit dem Schiffe und deren Mannschaften gegen Piraterie bei der Durchfahrt durch den Golf von Aden versichert werden konnten. Die Firma kooperierte dafür mit einem Versicherer, mit dem sie einen Vertrag für drei Dienstleistungen abschloss: Nutzungs-Lizenz, die Vermittlung der Police durch Q und die Verwaltung sowie Schadenregulierung. Dafür sollte Q laut Ziska vorab 30.000 Euro im Monat erhalten, die tatsächlichen Courtageansprüche wurden nur teilweise gegen die Vorauszahlungen gerechnet. 

Der Assekuradeur stufte sein Angebot selbst als eine einheitliche Leistung ein, mit der Vermittlung als Kern. Daher seien die Einnahmen gemäß Paragraf 4 Nr. 11 Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfrei. Das Finanzamt war aber der Auffassung, dass es sich um drei getrennte Leistungen handelt – und nur die Vermittlung steuerbefreit ist. Daher traf man sich vor dem Finanzgericht Münster, das wiederum meinte, dass es sich um ein einheitliches Leistungspaket handelt, deren Kern aber die steuerpflichtige Vergabe der Lizenz ist. Der Assekuradeur erhalte schließlich – unabhängig von einer Vermittlung – nur für die Vergabe der Lizenz die 30.000 Euro. Ergo: Es entfallen 19 Prozent auf alles, so Ziska.

Kern-Service zählt
Der Bundesfinanzhof (BFH) in der nächsten Instanz sah das ebenfalls so. Der BFH fragte sich aber auch, ob eine andere Auslegung möglich ist: Nämlich ob gemäß Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe a der EU-Richtlinie 2006/112/EG eine einheitliche Leistung auch dann steuerfrei sei, wenn lediglich eine Nebenleistung die Bedingungen dafür erfülle. Diese Frage legte er dem EuGH vor. Dieser hat wie oben erwähnt nun entschieden, dass die Nebenleistung nicht zählt. Nur die Hauptleistung ist wichtig. "Auch wenn die von Q erbrachten Dienstleistungen eine einheitliche Leistung darstellen sollten, kann Q daher nicht nach dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit sein, da die Hauptleistung nicht in ihren Anwendungsbereich fällt", entschied der EuGH.

"Der EuGH hat hier wieder die Grundprinzipien angewendet, insbesondere, dass Steuerbefreiungen eng auszulegen sind", kommentiert Ziska. "Wenn dann ein Leistungsbündel vereinbart ist, das ein gemeinsames Ganzes ergibt, dann stellt es eine neue Gesamtleistung dar und kann nicht in einzelne steuerpflichtige und steuerfreie Bestandteile aufgespalten werden. Die neue Gesamtleistung unterliegt dann der Umsatzsteuer, wenn die Kernleistung steuerpflichtig ist."

Nur wenige Ausnahmen
Dem Steuerberater zufolge es gebe es nur eine Ausnahme, die eng auszulegen ist: "Unwesentliche Nebenleistungen teilen das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung. Beim Kauf einer Tafel Schokolade zahlt man nur sieben Prozent Umsatzsteuer, weil die Schokolade die Haupt- und die Verpackung die unwesentliche Nebenleistung ist." (jb)