Die Wirtschaft in der Euro-Zone bleibt nach Ansicht von EZB-Präsident Mario Draghi ein Sorgenkind – und auf die Unterstützung der Notenbank angewiesen. Dies sei notwendig, damit sich die Inflation dem Ziel von knapp zwei Prozent annähere, sagte Draghi am Montag im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments. "Der Inflationsanstieg im Dezember und Januar geht vor allem auf statistische Basiseffekte sowie teuere Energiepreise zurück", zitiert ihn Reuters.

Anschließend schmetterte der EZB-Obere die Kritik der neuen US-Regierung am vermeintlich spottbilligen Euro nieder. "Wir sind keine Währungsmanipulatoren“, sagte der Italiener in Brüssel. Die Geldpolitik der EZB spiegele den unterschiedlichen Zustand der Wirtschaft im Vergleich zu den USA wider. Trumps Chef-Wirtschaftsberater Peter Navarro hatte unlängst Deutschland vorgeworfen, den relativ niedrigen Euro-Kurs für Handelsvorteile auf Kosten der USA und seiner europäischen Partner zu nutzen.

Zugleich schoss der EZB-Präsident scharf gegen die von Donald Trump geplante Deregulierung des US-Finanzsektors. "Deregulierung ist das Letzte, was wir brauchen", sagte Draghi – wohl auch als Reaktion auf die verstärkten Bestrebungen italienischer Interessenvertreter, die EU-weiten Bankenregeln aufzuweichen.

Kurzzeitgedächtnis ausgeschaltet?
Der neue US-Präsident hatte erst am Freitag ein Dekret unterzeichnet, wonach elementare Wall-Street-Reformen wie der Dodd-Frank-Act überdacht werden sollen. Das Gesetzeswerk von 2010 war als Lehre aus der Finanzkrise von 2008 aufgelegt worden und sieht unter anderem vor, dass amerikanische Banken vom als brandgefährlich eingestuften Wertpapierhandel auf eigene Rechnung lassen sollten.

Trumps Erlass hatte auch bei anderen Beobachtern Irritationen ausgelöst. Würde Dodd-Frank vollständig gestrichen, könne man "transatlantische Wettbewerbsverzerrungen aufgrund unterschiedlicher Regulierungen vor allem zu Lasten Europas nicht ausschließen", sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des deutschen Privatbankenverbands BdB laut Agenturberichten. Eine Überprüfung der nach der Finanzkrise erlassenen Regeln sei seiner Ansicht nach zwar sinnvoll. Aber wertvolle Errungenschaften wie eine international abgestimmte Regulierung sollten "nicht einfach über den Haufen geworfen werden".

Eine besonders wirkmächtige Form, Banken indirekt zu mehr kaufmännischer Vernunft und damit Risikokontrolle anzuhalten, will EZB-Chef Draghi bis auf weiteres beibehalten: die Niedrigzinsen in der EU. (ps)