Immobilienfonds, Honorarberatung, Finanztransaktionssteuer – die Liste der Themen, die die Finanzpolitiker im Bundestag in den vergangenen Monaten abgearbeitet haben oder noch behandeln müssen, ist lang. Damit nicht genug: Auch der Wahlkampf für die Bundestagswahl am 22. September hat begonnen.

FONDS professionell hat deshalb Finanzpolitiker aller im Bundestag vertretenen Parteien gebeten, zu Fragen der Finanzmarktregulierung und Altersvorsorge Stellung zu nehmen. Heute steht Lothar Binding Rede und Antwort, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Teilgenommen haben außerdem Ralph Brinkhaus (CDU), Volker Wissing (FDP), Gerhard Schick (Grüne) und Axel Troost (Linke). Ihre Antworten finden Sie hier.

Herr Binding, mit dem Honoraranlageberatungsgesetz soll die Honorarberatung gestärkt werden. Gehen die Regeln Ihrer Meinung nach in die richtige Richtung? Wo muss nachgebessert werden?

Binding: Die Stärkung der Honorarberatung als zweite Säule der Finanzberatung neben der Provisionsberatung ist ein wichtiges Ziel in der Finanzmarktregulierung. Das Gesetz der Koalition ist hier aber unzureichend, da es kein klares Berufsbild für unabhängige Honorarberater schafft, die klar von Provisionsberatern zu unterscheiden sind. "Provisionsberater" sollten sich nicht Berater, sondern Vermittler nennen. Außerdem fehlt eine Verpflichtung für die Versicherungen, Nettotarife anzubieten. Dadurch bleibt für die Honorarberatung nur das Modell der Provisionsdurchleitung, die wiederum falsche Anreize für die Kunden setzen könnte. Schließlich müssen alle Finanzberater einheitlich von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen beaufsichtigt werden.

In einigen Ländern, etwa Großbritannien, wurde die Provisionsberatung verboten. Unterstützen Sie eine solche Lösung auch für Deutschland oder bevorzugen Sie ein Nebeneinander des Provisions- und des Honorarmodells?

Binding: Grundsätzlich sollten die Kunden frei zwischen Honorar- und Provisionsberatung wählen können. Ein vollständiges Verbot der Provisionsberatung wie in Großbritannien halten wir für den falschen Weg, da sonst die Gefahr besteht, dass vor allem für kleinere Investments keine Beratung mehr zu bezahlbaren Preisen zur stattfindet.

Für unabhängige Finanzberater gelten seit Jahresbeginn verschärfte Anforderungen (§34f Gewerbeordnung). Ist der Berufsstand Ihrer Meinung nach damit ausreichend oder sogar zu stark reguliert? Wo muss gegebenenfalls nachgebessert werden?

Binding: Ob notwendige Regeln und Gesetze auch hinreichend sind, ließe sich nur ceteris paribus beantworten – aber ceteris paribus gibt es nicht. Nicht nur die Finanzberater werden auf die Regulierung reagieren – Regulierung in einem Markt, in dem erlaubt scheint, was nicht verboten, ist ein dynamischer Prozess.  

Zahlreiche EU-Staaten, darunter Deutschland, planen eine Finanztransaktionssteuer. Befürworten Sie die Steuer? Nennen Sie bitte Ihre wichtigsten Argumente.

Binding: Die Finanztransaktionssteuer beteiligt den Finanzsektor an den Folgekosten der Finanzkrise. Leider ex post. Hoffentlich trägt sie trotz ihrer marginalen Dimension zur Verringerung des aufgeblähten Handelsvolumens auf den Finanzmärkten bei. Hoffentlich werden die Auswüchse im Hochfrequenzhandel unattraktiver. Das wichtigste Argument ist fiskalisch: Warum sollen Geschäfte dieser Art nicht durch eine Art Umsatzsteuer an den Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Bekämpfung der Armut in der Welt beteiligt werden? Wenn umgekehrt die Armen dieser Welt an den Kosten des Reichtums von Spekulanten beteiligt werden…

Die Asset-Management-Industrie bemängelt, dass eine solche Steuer die Altersvorsorge der Bürger empfindlich belasten kann. Wie steht Ihre Partei zu diesem Problem?

Binding: Die Finanztransaktionssteuer belastet wegen ihres minimalen Steuersatzes realwirtschaftliche Finanztransaktionen kaum. Auch auf langfristigen Wertzuwachs angelegte Anlagestrategien für die Altersvorsorge sind nur in geringem Maße betroffen. Wenn die Managern anvertraute Altersvorsorge – also Gelder vieler Menschen, die ein Teil Ihrer Arbeitslöhne anderen überlassen – einer Transaktionsgeschwindigkeit unterworfen wird, die zu einer nennenswerten Belastung führt, müssen wir über mehr nachdenken als über die Finanztransaktionssteuer.

Die AIFM-Richtlinie setzt neue Spielregeln für die Beteiligungsbranche. Gehen die Regeln in die richtige Richtung? Gelingt es damit, unseriöse Anbieter geschlossener Fonds (Beispiel S&K) vom Markt zu verdrängen? Worauf muss bei der Umsetzung in deutsches Recht (bis Ende Juli) besonders geachtet werden?

Binding: Grundsätzlich halten wir eine Regulierung des sogenannten grauen Kapitalmarkts, also bisher unregulierte Investmentfonds, für unerlässlich. Bei der Umsetzung der AIFM-Richtlinie ist dabei darauf zu achten, dass in Zukunft Anleger, vor allem geschlossener Fonds, besser geschützt werden. Hier muss die Regulierung so streng sein, dass das in der Vergangenheit häufig eingetretene Risiko eines Totalverlusts für die Anleger minimiert wird. Entsprechend müssen Fonds stärker als bisher für ihre Risikodiversifikation tun, und die Fremdfinanzierungsquote muss begrenzt werden. Mit dem neuen Kapitalanalgesetzbuch wird es in Zukunft auch erstmals die Möglichkeit geben, sich auch empirisch ein genaueres Bild der Lage der geschlossenen Fonds zu bieten. So kann evaluiert werden, ob sich die Situation der geschlossenen Fonds stabilisiert. Soweit mir bekannt, handelt es sich im Beispiel S&K wohl um einen Betrugsfall – Betrug wird sich durch Regulierung nicht eindämmen lassen. Seine Ahndung wird jedoch zielgenauer.

Die AIFM-Regeln betreffen auch offene Immobilienfonds. Muss mit Blick auf dieses Segment nachgebessert werden? Wenn ja, wie?

Binding: Die Regeln für offene Immobilienfonds wurden erst mit Wirkung zum 1. Januar 2013 verändert und die Möglichkeiten zur Kapitalentnahme deutlich verschärft. Hier muss sich zeigen, ob diese Regulierung die Lage der offenen Immobilienfonds stabilisiert, oder ob es nötig ist, dass der Gesetzgeber nochmals eingreift. Oft haben es Branchen– durch rechtzeitige Nachbesserung und Justierung ihrer Geschäftsmodelle, ihrer Beratungsverfahren, ihrer Transparenz, ihrer Zuverlässigkeit, ihrer Berechenbarkeit, der Zuverlässigkeit ihrer gemachten Ertragshoffnungen etc. – selber in der Hand, weitergehende Regulierungen zu vermeiden.

Das EU-Parlament will Manager von UCITS-Fonds ähnlichen Bonusregeln unterwerfen, wie sie künftig auch für Banker gelten sollen. Unterstützen Sie die Initiative? Wenn ja: Warum wäre Ihrer Meinung nach ein Eingriff in die freie Gestaltung von Arbeitsverträgen gerechtfertigt?

Binding: Sie sprechen die Verwaltungsvorschriften für bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW bzw. englisch UCITS) an, also Investmentfonds, die in gesetzlich definierte Arten von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten investieren. Mit Blick auf die Arbeitsergebnisse bestimmter Manager von OGAW-Fonds und unter der Annahme, dass die Manager im Regelfall hoch qualifiziert sind, tauchen Sie mit dieser Frage tief in ein System der Fehlanreize ein. Durch kurzfristig orientierte Anreize in Form variabler Bonuszahlungen haben sich Manager häufig nicht am langfristigen Erfolg ihrer Anlagen orientiert. Deshalb ist es grundsätzlich sinnvoll, die Anreizstrukturen zu verändern und Managergehälter einerseits auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren und andererseits stärker am langfristigen Ergebnis als am erhofften Ergebnis zu orientieren. Dies ist auch im Interesse der Finanzbranche, deren Ansehen seit der Finanzkrise stark beschädigt wurde – eine neue Kultur ist unverzichtbar.

Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) gilt als gute Möglichkeit, die Rentenlücke zu schließen. Der Durchdringungsgrad in Deutschland ist jedoch gering, unter anderem wegen der Komplexität (fünf Durchführungswege) und der Probleme bei Arbeitgeberwechseln. Will Ihre Partei die bAV stärken?

Binding: Die betriebliche und tarifvertraglich abgesicherte Altersvorsorge ist die beste Form der zusätzlichen Altersvorsorge. Wir wollen sie stärken und durch die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit auch in den Regionen und Branchen durchsetzen, in denen sie derzeit wegen geringer Tarifbindung nur wenig genutzt wird.

In den USA fließt das Geld der dortigen bAV (sogenannte 401(k)-Konten) auf den Investmentmarkt. In Deutschland dagegen dominieren Versicherungslösungen. Will Ihre Partei bAV-Gelder künftig stärker in den Investmentbereich lenken? Falls ja, wie?

Binding: Über Pensionsfonds fließen bereits Gelder der betrieblichen Altersvorsorge in den Investmentbereich. Letztlich wird die Attraktivität der Angebote über ihren Verbreitungsgrad entscheiden.

Befürworten Sie bei der bAV Modelle mit garantierter Rentenzahlung (Defined Benefit) oder mit fixer Beitragszusage (Defined Contribution)?

Binding: Bei der Altersvorsorge steht eine sichere Rentenzahlung im Alter im Vordergrund. Eine staatliche geförderte Altersvorsorge muss sich deshalb stärker von Modellen mit garantierter Rentenzahlung leiten lassen.

Der Staat fördert die private Altersvorsorge (Riester), viele Geringverdiener nehmen dieses Angebot jedoch nicht wahr. Treten Sie für Pflicht-Riester oder eine andere verpflichtende Altersvorsorge (der zweiten oder dritten Säule) ein?

Binding: Die ergänzende Altersvorsorge sollte in erster Linie über die betriebliche Altersvorsorge gefördert werden. Über tarifvertragliche Vereinbarungen ihrer Allgemeinverbindlichkeitserklärung streben wir eine möglichst große Verbreitung an. Als im politischen Raum über eine verpflichtende Altersvorsorge in der zweiten oder dritten Säule nachgedacht wurde, setzte eine öffentliche Diskriminierung unter der Überschrift "Zwangsrente" ein. Deshalb ist sie heute fakultativ. (bm)