Der Strafprozess gegen sechs Ex-Manager des kollabierten Infinus-Konglomerats ist mit scharfen Anschuldigungen gegen die Staatsanwaltschaft und die Richter auf die Zielgerade eingebogen. Ulf Israel und Alexander Hübner, die beiden Pflichtverteidiger des Hauptangeklagten Jörg B., ließen in ihrem Plädoyer am Donnerstag ihrem Frust über das ihrer Meinung nach unfaire Verfahren vor dem Landgericht Dresden freien Lauf. Am Freitag vergangener Woche hatte Oberstaatsanwalt Arnulf Berner in seinem Plädoyer noch bis zu acht Jahre Haft für die früheren Führungskräfte des Konzerns gefordert (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Berner wirft den Angeklagten vor, "ein betrügerisches, auf der systematischen Täuschung der Anleger aufbauendes Geschäftsmodell" betrieben zu haben. Zur Erinnerung: Die Infinus-Gruppe war zusammengebrochen, nachdem die Staatsanwaltschaft das Konglomerat im November 2013 hochgenommen hatte. Konzerninterne Eigengeschäfte mit Lebensversicherungen und Goldsparplänen hätten dabei geholfen, eine Erfolgsstory vorzugaukeln, die es in Wirklichkeit gar nicht gab. Mehr als 40.000 Anleger hatten zuletzt über eine Milliarde Euro bei Infinus investiert – vor allem in Orderschuldverschreibungen der Obergesellschaft Future Business (Fubus).

"Das verbliebene Geld wird zersägt"
B.s Verteidiger stellen den Fall nun ganz anders dar – mit einigen durchaus plausiblen Argumenten. Demnach habe das Unternehmen bereits begonnen, in andere Geschäftsbereiche zu investieren, um das operative Geschäft wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen. Beispielsweise sei die Gründung einer Bank und eines Lebensversicherers geplant gewesen. Doch die Staatsanwaltschaft habe die Firmengruppe mit ihrer Razzia in die Insolvenz geschickt. Hübner warf Berner vor, sich von dem Ende September 2013 in FONDS professionell veröffentlichten Artikel über die Infinus-Gruppe treiben gelassen zu haben, statt in Ruhe nach einer anderen, für die Anleger besseren Lösung zu suchen.

Berners Vortrag, die Staatsanwaltschaft habe mit ihrem Eingreifen Schlimmeres verhindert, bezeichnete Verteidiger Israel als "Lebenslüge", denn nun vernichte Fubus-Insolvenzverwalter Bruno Kübler das restliche Vermögen der Anleger. "Das verbliebene Geld wird zersägt, bis nichts mehr davon übrig ist. Und das ist Ihre Schuld!", sagte Israel zu Berner. "In den 23 Jahren seiner Berufstätigkeit hat unser Mandant nie so schnell Geld verbrannt, wie das jetzt beim Insolvenzverwalter passiert!" Sein Kollege Hübner sprach gar von einer "Orgie der Bereicherung für Kübler und seine Freunde".

"Es gab keine schwarzen Kassen"
Die Staatsanwaltschaft habe den Angeklagten in dem gut zweieinhalb Jahre dauernden Prozess kein einziges Formaldelikt nachweisen können. "Es gab keine schwarzen Kassen, keine Urkundenfälschung, auch die Bilanzen haben bis dato jeder Überprüfung standgehalten", so Israel. Die Mittel seien "immer prospektgemäß" angelegt worden. Selbst der von der Staatsanwaltschaft bestellte Gutachter habe festgestellt, dass sich keiner der Beschuldigten über Gebühr an dem Konzern bereichert habe. An die Staatsanwälte gerichtet sagte Israel: "Sie haben ein Unternehmen zerschlagen, das ordnungsgemäß gelaufen ist!"

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer vorgetragen, der Konzern habe "bilanzielle Gestaltungsmöglichkeiten ausgenutzt". Dies sei jedoch kein Verbrechen, betonte Israel. "Diese Möglichkeit steht jedem Unternehmen offen." Die Eigengeschäfte, beispielsweise die konzerninterne Vermittlung von Lebenspolicen, seien "marktüblich" und ebenfalls nicht illegal. Das gelte auch für das Ausmaß der Versicherungsgeschäfte: So hatte die Fubus mitunter Lebenspolicen mit 40 Jahren Laufzeit und einer Million Euro Monatsbeitrag abgeschlossen. "Diese Verträge wurden von den Versicherern intern sorgfältig geprüft und akzeptiert", betonte der Verteidiger. Daraus ließe sich kein Vorwurf an die Beschuldigten konstruieren.

"Immer wurde signalisiert, alles sei okay"
Israel betonte, sein Mandant und seine Kollegen hätten bei den Aufsichtsbehörden Bafin und Bundesbank stets "alles auf den Tisch gelegt". Im Jahr 2010 habe die Bundesbank sogar das Geschäftsmodell geprüft. "Es gab nie ein Stoppsignal oder einen Hinweis im Aufsichtsgespräch, dass die Verantwortlichen etwas ändern sollten. Immer wurde signalisiert, alles sei okay. Dass mein Mandant das Unternehmen in der Folge wie bewährt weiterführt, darf dann nicht verwundern."

Auch der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die Angeklagten hätten alles unternommen, um nur ja keine roten Zahlen ausweisen zu müssen, sei schlichtweg falsch. "Im Jahr 2005 wies die Future Business einen Verlust aus, und es hat den Vertrieb neuer Papiere überhaupt nicht gebremst", so Israel.

Freispruch gefordert
Wichtig sei auch, dass der damalige Wirtschaftsprüfer bis heute an seinem Testat für die Fubus-Bilanz festhalte. Die Aussagekraft bewege sich dessen Aussage zufolge zwar an der "unteren Deutlichkeitsgrenze". "Doch diese Grenze wurde nicht unterschritten", so Israel. Hübner erinnerte daran, dass B. keine betriebswirtschaftliche Ausbildung hat. "Sowohl sein Anwalt als auch der Wirtschaftsprüfer und der Steuerberater hatten ihm versichert, dass die Bilanzierung in Ordnung ist. Auf diesen Rat hat er sich verlassen."

Die Staatsanwaltschaft habe auch nie beweisen können, dass Future Business die Zinsen für Altanleger mit dem Geld neuer Anleger bezahlt habe. Schon gar nicht sei es gelungen, den Beweis zu führen, dass sich die Angeklagten vorsätzlich verabredet hätten, die Anleger zu betrügen. Dieser Nachweis müsse im Strafrecht aber gelingen. Die Verteidigung fordert daher einen Freispruch für B. und eine Entschädigung für die fast dreijährige Untersuchungshaft.

"Reine Machtdemonstration"
Auch der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats bekam sein Fett weg. Die Verteidigung wirft der Kammer vor, die Angeklagten mit unnötiger Härte zu behandeln. An zwei bis drei Tagen die Woche wird verhandelt. An jedem anderen Tag müssen sich die meisten Angeklagten bei der Polizei melden – eine laut Verteidigung unnötige Auflage. Als Mitte März kurzfristig eine Verhandlung ausfiel, zu der die Beschuldigten schon angereist waren, fragten zwei von ihnen, ob sie sich den Gang zur Polizei heute sparen könnten, schließlich habe das Gericht sie ja gesehen. Das habe der Richter jedoch verneint, weshalb die Angeklagten bei strömenden Regen doch noch zur Polizeistation mussten. "Das ist an Niederträchtigkeit und Schlichtheit nicht zu überbieten", schimpfte Israel. "Das ist eine reine Machtdemonstration."

Auch die Verteidiger selbst fühlen sich nicht korrekt behandelt. Hübner beschwerte sich bitterlich, dass mögliche Entlastungszeugen nicht gehört wurden. So hatte das Finanzamt festgestellt, dass das Geschäftsmodell der Future Business tragbar war – ein Schneeballsystem konnte die Behörde nicht erkennen. "Selbst solche Zeugen hören Sie nicht einmal an!" Einmal habe Schlüter-Staats sogar gedroht, Hübners und Israels Kanzlei durchsuchen zu lassen. "Das haben wir nicht vergessen!", sagte Israel. Er warf den Richtern vor, sie wollten sich ohnehin nicht von ihrer vorgefassten Meinung abbringen lassen. Israel wörtlich: "Die Kammer – und damit meine ich vor allem den Vorsitzenden Richter – war vom ersten Tag an voreingenommen bis zum Erbrechen."

Urteil soll im Juli fallen
Ein Dresdener Journalist, der den Prozess seit Anbeginn verfolgt, sagte FONDS professionell, er könne den Frust der Verteidigung verstehen – die Angriffe auf Richter und Staatsanwaltschaft seien mit Blick auf den gesamten Prozess durchaus nachvollziehbar.

Schlüter-Staats reagierte zumindest äußerlich gelassen auf die harschen Vorwürfe von der Anklagebank. Nur ganz zum Schluss meldete er sich zu Wort: "Ich bedanke mich für die vorgebrachten Argumente, aber nicht für die Beschimpfungen." In den kommenden Tagen folgen die Plädoyers der anderen Beklagten. Das Urteil soll im Juli fallen. (bm)