Im Fall der insolventen P&R-Gruppe geht es jetzt richtig zur Sache. Die Anleger, die von der Pleite überrascht wurden, sind erstmals am Zug und können ihre Forderungen bei den Insolvenzverwaltern anmelden. FONDS professionell ONLINE sprach mit Rechtsanwalt Frank-Rüdiger Scheffler, Partner der Kanzlei Tiefenbacher Rechtsanwälte, über die Stellung der Anleger und das übliche Vorgehen in Insolvenzverfahren. Der Jurist war unter anderem Insolvenzverwalter bei drei Unternehmen der ehemaligen Infinus-Gruppe.


Das Gericht hat vor zwei Wochen die Insolvenzverfahren über die deutschen P&R-Gesellschaften eröffnet. In Kürze erhalten die Anleger vorausgefüllte Formular zur Anmeldung ihrer Forderungen. Wie wahrscheinlich ist es Ihrer Erfahrung nach, dass der Anleger mit den Formularen zurechtkommt und ohne anwaltliche Unterstützung alles richtig ausfüllt?

Frank-Rüdiger Scheffler: Das kommt darauf an: Bei vertraglichen Ansprüchen, die der Form und der Höhe nach eindeutig sind, kommen Anleger mit vorausgefüllten Formularen in der Regel gut zurecht. Diese Erfahrungen habe ich beispielsweise in einem Verfahren gemacht, in dem die Anleger Orderschuldverschreibungen gezeichnet hatten und lediglich ihre vertraglichen Rückzahlungsansprüche angemeldet haben. Komplizierter sind Forderungsanmeldungen aus rechtlich komplexeren Anspruchsgrundlagen, zum Beispiel aus unerlaubten Handlungen, sogenannte "deliktische Schadenersatzansprüche". Der Forderungsgrund muss vollständig benannt und belegt werden. Das können oftmals nur Rechtskundige bewerkstelligen. Die ordnungsgemäße Anmeldung ist aber wichtig, weil nur diese Forderungen vom Insolvenzverwalter festgestellt werden und nur dann die Verjährung gehemmt werden kann.

Handelt es sich bei P&R um so einen komplizierten Fall? Müssen die Anleger deshalb die von den Insolvenzverwaltern vorausgefüllten Formulare besonders genau prüfen?

Scheffler: In jedem Insolvenzverfahren sollte ein Gläubiger immer überprüfen, ob die vorausgefüllten Formulare zutreffende Angaben enthalten. Das Besondere bei P&R ist, dass der Anspruch auf verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt werden kann, die sich hinsichtlich der Forderungshöhe unterscheiden können.

Die Insolvenzverwalter bestreiten wie angekündigt, dass die Anleger – mit oder ohne Eigentumszertifikat – Eigentümer der Container sind (FONDS professionell ONLINE berichtete). Wie sehen Sie das?

Scheffler: Nach meinem aktuellen Kenntnisstand teile ich diese Einschätzung der Insolvenzverwalter. Die Übertragung des Eigentums nach deutschem Recht setzt voraus, dass die Vertragspartner sich über einen konkreten, individuell bestimmten Gegenstand zum Zeitpunkt des vertraglich vereinbarten Eigentumsüberganges geeinigt haben. Diese Konkretisierung des Gegenstandes kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, sie muss aber unbedingt erfolgen. In den Kaufverträgen der P&R-Gesellschaften erfolgte diese Konkretisierung wohl nicht. Hier wurden lediglich Typenbezeichnungen der Container angegeben. Die Containernummer als Konkretisierungsmerkmal fehlt aber in den mir vorliegenden Verträgen.

Allerdings haben manche Anleger Eigentumszertifikate mit aufgelisteten Containernummern vorliegen.

Scheffler: Die Übersendung des Eigentumszertifikats begründet kein Eigentum. Außerdem wurden diese Zertifikate in allen mir bekannten Fällen erst weit nach der Einigung über den Eigentumsübergang ausgetauscht. Der Zeitpunkt des Eigentumsüberganges wird in den Kaufverträgen mit "innerhalb von 90 Tagen nach Eingang des Kaufpreises" bezeichnet. Sollte also innerhalb dieses Zeitraums ein Eigentumszertifikat an die Anleger versandt worden sein, wäre ein Eigentumsübergang theoretisch möglich – vorausgesetzt ein Besitzmittlungsverhältnis wäre wirksam begründet und die betreffende P&R-Gesellschaft war zur Eigentumsübertragung berechtigt.

Was ist unter einem "Besitzmittlungsverhältnis" zu verstehen? Und wieso sollen die P&R-Gesellschaften nicht zur Eigentumsübertragung berechtigt gewesen sein? Sie waren immerhin die Verkäufer der Container und Vertragspartner der Anleger.

Scheffler: Ein Besitzmittlungsverhältnis ist die Beziehung zwischen mindestens zwei Personen in Bezug auf eine Sache, beispielsweise bei einem Mietverhältnis oder einem Verwahrvertrag, wobei eine andere Person für den Eigentümer die tatsächliche Sachherrschaft über einen Gegenstand ausübt. Wenn die deutschen P&R-Gesellschaften nicht Eigentümer der an die Anleger verkauften Container waren, bedurfte es der Zustimmung der tatsächlichen Eigentümer zur Eigentumsübertragung. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen dem Grundgeschäft, hier dem geschlossenen Kaufvertrag zwischen P&R und Anleger, und dem Rechtsgeschäft zur Übertragung des Eigentums. Der Verkäufer einer Sache muss nicht zwangsläufig der Eigentümer sein, benötigt aber die Berechtigung zur Eigentumsübertragung. Die Käufer wissen oft nicht, ob der Verkäufer auch Eigentümer oder zumindest verfügungsberechtigt ist. Sie sind aber dann geschützt, wenn der Kaufgegenstand übergeben wird. Dies scheidet bei P&R tatsächlich aus.

Wenn die deuschen P&R-Gesellschaften nicht Eigentümer der Container sind oder waren: Warum kann dann der deutsche Insolvenzverwalter über die Container verfügen und die Container in die Insolvenzmasse einbeziehen?

Scheffler: Dass die deutschen Gesellschaften nicht Eigentümer der Container waren, ist eine Vermutung, die auf den vagen bisherigen Angaben der Insolvenzverwalter beruht. Aber wir haben uns diese Frage auch bereits gestellt. Hier kommt wahrscheinlich das von den Verwaltern mitgeteilte "Pfandrecht" im Hinblick auf die Schweizer P&R-Gesellschaft ins Spiel.

Ein Anlegeranwalt lässt in seinen Mitteilungen durchblicken, er sei der bessere Anlegervertreter, weil er Mitglied der Gläubigerausschüsse ist – und manche Vertriebe schicken ihre Kunden deshalb zu ihm. Sehen Sie das auch so? Und darf der Anwalt mit dieser Funktion werben?

Scheffler: Ein Gläubigerausschussmitglied ist zur Verschwiegenheit hinsichtlich der Informationen verpflichtet, die er bei seiner Tätigkeit im Gläubigerausschuss erhält. Insofern bringt diese Stellung den von ihm vertretenen Mandanten grundsätzlich keinen Vorteil, wenn sich der Anwalt an die Verpflichtung hält. Solange das Gläubigerausschussmitglied seinen Mandanten oder potenziellen Mandanten keine Vorteile verspricht, ist gegen diese Art der Werbung grundsätzlich wohl nichts einzuwenden. Im Übrigen hat ein Gläubigerausschussmitglied nicht nur die Interessen seiner Mandanten, sondern aller Gläubiger zu wahren.

Das Gericht hat die Gläubigerausschüsse um zwei Personen vergrößert. Was bringt das zweieinhalb Monate vor den ersten Gläubigerversammlungen?

Scheffler: Ein Gläubigerausschuss hat sowohl eine beratende Funktion als auch die Aufgabe, den Verwalter zu kontrollieren. Er sollte die gesamten Gläubigerinteressen abbilden. Ich gehe davon aus, dass die bisherigen vorläufigen Gläubigerausschüsse die vielfältigen Interessen der Gläubigerschaft noch nicht genügend repräsentierten, sodass die Berufung weiterer Mitglieder erfolgte.

Die Insolvenzverwalter fordern die Anleger zur Teilnahme an den Gläubigerversammlungen auf. Diese werden oft als reine Informationsveranstaltungen missverstanden, obwohl die Investoren dort ihre Rechte aktiv ausüben können. Was genau können die Anleger tun?

Scheffler: Die Gläubigerversammlung ist ein Berichtstermin, in dem der Insolvenzverwalter über den Zeitraum von der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung bis zu diesem Termin über seine Tätigkeiten und Ergebnisse Bericht erstattet. Die Gläubigerversammlung ist aber auch die Gelegenheit für die Anleger, sich aktiv in das Verfahren einzubringen, da dort in Beschlussfassungen bedeutende Entscheidungen getroffen werden. So können die Anleger mehrere Beschlüsse fassen, unter anderem über die Beibehaltung des bisherigen oder die Wahl eines neuen Insolvenzverwalters, die Wahl oder Beibehaltung eines Gläubigerausschusses, die Wahl oder Abwahl einzelner vom Gericht eingesetzter Mitglieder oder die Wahl neuer oder weiterer Mitglieder. Sie können die Stilllegung, Fortführung oder Veräußerung des Unternehmens beschließen.

Müssen die Anleger die vom Gericht mandatierten Gläubigerausschüsse wieder wählen?

Scheffler: Nein, das müssen sie nicht. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss eingesetzt. Die Gläubigerversammlung beschließt darüber, ob der eingesetzte Gläubigerausschuss in dieser Besetzung beibehalten werden soll. Die durch das Gericht bestellten Mitglieder können abgewählt und durch andere ersetzt werden.

Das Magellan-Insolvenzverfahren ist für die betroffenen Anleger ziemlich schlecht gelaufen. Die Container wurden mithilfe haarsträubender Gutachten von Wirtschaftsprüfern und mithilfe des Gläubigerausschusses, in dem auch der besagte Anlegeranwalt sitzt, viel zu billig verkauft. Können die Magellan-Anleger dagegen noch etwas unternehmen? Und wie kann so ein Vorgehen bei P&R verhindert werden?

Scheffler: Da ich mich bisher mit dem Insolvenzverfahren Magellan nicht beschäftigt habe, kann und will ich mich zu diesem Verfahren nicht konkret äußern. Unabhängig von diesem konkreten Verfahren haben die Gläubiger die Möglichkeit, unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen Haftungsansprüche gegen den Insolvenzverwalter sowie die Mitglieder des Gläubigerausschusses für Fehlverhalten geltend zu machen.

Vielen Dank für das Gespräch. (ae)