Das Investmentsteuerreformgesetz ist nun schon über ein Jahr in Kraft, dennoch tauchen bei Anlegern immer wieder einmal Fragen auf. So zum Beispiel, wenn ein Fondsdepot vererbt wird. Löst die Übertragung des Depots auf den Erben wie ein Verkauf die Abgeltungsteuer aus? Bleibt der Bestandsschutz für Fondsanteile, die vor 2009 erworben worden sind, erhalten? Erbt der Hinterbliebene auch den Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro, den der Gesetzgeber für Erträge aus dem Verkauf von solchen bestandsgeschützten Altbeständen eingeräumt hat? 

Solche Fragen sollten im Einzelfall selbstverständlich immer mit einem Steuerberater geklärt werden. Es ist aber gut, wenn Finanzberater und Vermittler die grundlegenden Vorschriften kennen, um ihren Kunden bei Bedarf eine erste Orientierung geben zu können. Und die Sache ist gar nicht so kompliziert, wie es scheint.

Übernehmen oder übertragen
Das Fondsdepot gehört zum Erbe, auf das – sofern gewisse Freibeträge überschritten sind – insgesamt Erbschaftsteuer fällig wird. "Falls es nur einen Erben gibt, tritt dieser in die Rechtsposition des Erblassers ein", erklärt Peter Maier, Leiter der Abteilung Steuern & Altersvorsorge beim deutschen Fondsverband BVI. Der Erbe kann das Depot übernehmen, indem lediglich sein Name gegen den des bisherigen Inhabers ausgetauscht wird. Er kann die Anteile aber auch auf ein bereits bestehendes eigenes Depot übertragen.

"Dabei werden die Fondsanteile nicht zum aktuellen Nettoinventarwert gebucht, sondern mit dem Preis, zu dem der Erblasser sie erworben hatte", erläutert Maier. Hatte der Verstorbene die Anteile vor dem 1. Januar 2018 gekauft und ist der Erbfall nach dem 31. Dezember 2017 eingetreten, dann ist der fiktive Verkauf und Wiederwerb zum Jahreswechsel 2017/2018 zu berücksichtigen. Zur Erinnerung: Um vom alten auf das neue Steuersystem umzustellen, wurden sämtliche Fondsanteile zum 31. Dezember 2017 fiktiv verkauft und am 1. Januar 2018 fiktiv wieder angeschafft.

So wird gerechnet
Ein Beispiel verdeutlicht, wie gerechnet wird: Angenommen, der Erblasser hat einen Fondsanteil am 10. Januar 2016 für 100 Euro erworben, der Rücknahmepreis lag am 31. Dezember 2017 bei 110 Euro. Der Anleger ist am 10. Januar 2018 verstorben, der Erbe verkauft die Fondsanteile am 30. Juni 2018 für 125 Euro pro Anteil tatsächlich. In diesem Fall löst der Verkauf zum einen den Zufluss des fiktiven Veräußerungsgewinns zum 31. Dezember 2017 in Höhe von zehn Euro aus. Zum anderen realisiert der Erbe einen weiteren Veräußerungsgewinn von 15 Euro pro Anteil, der auf die Wertsteigerung seit dem 1. Januar 2018 entfällt.

Nach Abzug gegebenenfalls zu berücksichtigender Teilfreistellungen auf die realisierte Wertsteigerung seit dem 1. Januar 2018 führt eine inländische depotführende Stelle 25 Prozent Abgeltungsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer ab. Dies geschieht natürlich nur, sofern kein ausreichend hoher Freistellungsauftrag oder eine Nichtveranlagungsbescheinigung vorliegen. 

100.000 Euro und kein Cent mehr
Gehen hingegen bestandsgeschützte Altanteile in das Eigentum des Erben über, bei denen der fiktive Veräußerungsgewinn zum 31. Dezember 2017 ohnehin steuerfrei ist, und realisiert er mit dem Verkauf der Anteile den seit dem 1. Januar 2018 entstandenen Wertzuwachs, so gilt: Der Erbe kann den Freibetrag von 100.000 Euro nutzen, den der Gesetzgeber im Investmentsteuergesetz für solche Fälle vorgesehen hat.

"Das heißt aber nicht, dass der Erbe den Freibetrag des Erblassers zusätzlich bekommt", klärt Maier auf. Für jeden Anleger gilt nur einmal die Summe von 100.000 Euro. "Der Erbe kann also lediglich seinen eigenen Freibetrag nutzen", sagt Maier. Hat er diesen bereits ausgeschöpft, ist jeder weitere Gewinn – begrenzt auf die Wertsteigerung seit dem 1. Januar 2018 –  aus dem Verkauf bestandsgeschützter Altanteilen grundsätzlich steuerpflichtig. (am)