Der Ausgleichsanspruch, den Handelsvertreter oder Versicherungsvertreter nach Paragraf 89b Handelsgesetzbuch (HGB) an einen Versicherer haben, ist für sie immens wichtig. Der Anspruch dient dazu, Provisionsverluste zu kompensieren, welche die Vermittler durch die Beendigung des Handelsvertretervertrages erleiden. Die Assekuranz hat also diejenigen Vorteile auszugleichen, welche ihr aus der Tätigkeit des Vertreters nach der Beendigung des Handelsvertretervertrages noch erwachsen.

Die finanziellen Ansprüche können bereits nach einigen Jahren Tätigkeit für einen Versicherer leicht mehrere tausend Euro betragen. Der Ausgleichsanspruch sollte daher vom Vertreter nicht leichtfertig aufgegeben werden. Rechtsanwalt Jens Reichow von der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow weist im folgenden Kommentar auf Probleme und Fußangeln hin, die Vermittler beachten sollten. (jb)


Regelmäßig besteht nach der Beendigung des Handelsvertretervertrages zwischen Handelsvertreter/Versicherungsvertreter und Versicherer Streit über das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach Paragraf 89b Absatz 3 HGB.

Danach ist der Ausgleichsanspruch im Wesentlichen ausgeschlossen, wenn der Vertreter die Beendigung des Handelsvertretervertrages selbst verschuldet hat. Man unterscheidet dabei danach, ob der Vermittler den Vertrag selbst gekündigt hat oder ob der Versicherer die Kündigung ausgesprochen hat. Der Ausgleichsanspruch ist hiernach ausgeschlossen, wenn,

  • der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat oder dem Vermittler eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann, oder
  • der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Vertreters vorlag.

Ausgleichsanspruch innerhalb der Jahresfrist geltend machen
Handelsvertreter beziehungswese Versicherungsvertreter sollten darauf achten, dass der Ausgleichsanspruch nur innerhalb der Jahresfrist des Paragrafen 89b Absatz 4 HGB geltend gemacht werden kann. Die Frist beginnt dabei grundsätzlich mit Beendigung des Handelsvertretervertrages und endet taggenau. Gerade wenn die Beendigung des Vertrages etwa wegen außerordentlicher oder ordentlicher Kündigung streitig ist, kann es dabei zu erheblichen Streitpotential kommen.

Empfehlenswert ist daher, den Ausgleichsanspruch direkt nach der Beendigung der Tätigkeit durch einen Rechtsanwalt geltend zu machen. Hierfür reicht regelmäßig ein außergerichtliches Schreiben des Rechtsanwaltes aus. Eine gerichtliche Klageerhebung ist hingegen nicht notwendig.

Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei anschließender Konkurrenztätigkeit
Der Ausgleichsanspruch des Vermittlers besteht zunächst unabhängig von der weiteren Tätigkeit des Handelsvertreters/Versicherungsvertreters. Er besteht also auch dann, wenn dieser nach der Beendigung des Handelsvertretervertrages eine Konkurrenztätigkeit aufnimmt – für einen anderen Versicherer oder aber als selbständiger Versicherungsmakler.

Eine anschließende Konkurrenztätigkeit kann sich jedoch auf die Höhe des Ausgleichsanspruches auswirken. Schließlich dient der Ausgleichsanspruch auch als Entschädigung dafür, dass dem Vermittler durch die Beendigung des Vertrages Provisionsverluste entstehen. Wirbt der Vertreter bestehende Versicherungsnehmer ab und kann er daher aus diesen Kundenverbindungen weitere Provisionen im Rahmen seiner neuen Tätigkeit erzielen, wirkt sich dies mindernd auf seinen Ausgleichsanspruch aus. Im Übrigen sollte er selbstverständlich darauf achten, dass eine Abwerbung bestehender Kunden nur im Rahmen des zulässigen Wettbewerbs erfolgt. Andernfalls drohen ihm eine kostenpflichtige Abmahnung und gegebenenfalls zusätzliche Vertragsstrafen.

Kein Ausschluss oder Begrenzung des Ausgleichsanspruches im Vertrag
Oftmals versuchen Versicherer den Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters dadurch zu umgehen, dass sie im Handelsvertretervertrag Umgehungsklauseln verankern. Beliebt sind dabei insbesondere Anrechnungsklauseln bezüglich von Provisionen. Diese sind stets besonders kritisch in rechtlicher Hinsicht zu prüfen und werden immer wieder vom Bundesgerichtshof (BGH) als unzulässig verworfen. Dies hat der BGH mit einem aktuellen Urteil vom 14. Juli 2016 (Az.: VII ZR 297/15) wieder bestätigt. Danach ist eine Anrechnung von Provisionen auf den Ausgleichsanspruch nur in wenigen Ausnahmefällen rechtlich zulässig. Hintergrund ist, dass der Handelsvertreter nach Paragraf 89b Absatz 4 HGB nicht auf den Ausgleichsanspruch verzichten kann.

Konkrete Höhe des Ausgleichsanspruches
Die Bestimmung der konkreten Höhe des Ausgleichsanspruches ist oftmals schwer. Das HGB selbst enthält zur Berechnung der Anspruchshöhe kaum konkrete Vorgaben, sondern spricht nur von einem "angemessenen Ausgleich". Was im Einzelfall "angemessen" ist, bedarf oftmals der richterlichen Schätzung.

Um Gerichten und Beteiligten Hilfestellungen bei der Ermittlung der Anspruchshöhe zu geben, wurden die sogenannten "Grundsätze zur Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruches" von Branchenverbänden der Versicherungswirtschaft entwickelt. Diese ermöglichen eine Bestimmung der Anspruchshöhe und werden regelmäßig auch von Gerichten zur Schätzung der Anspruchshöhe herangezogen. Auch der BGH hat mit Urteil vom 23. November 2011 (Az.: VIII ZR 203/11) auf die "Grundsätze" zurückgegriffen. Danach bestimmt sich die Höhe des Ausgleichsanspruches im Wesentlichen nach der durchschnittlichen Provision der letzten fünf Jahre vor Beendigung des Handelsvertretervertrages.