Der Trend zur nachhaltigen Geldanlage ist ungebrochen. Kein Wunder, dass davon sowohl Produktanbieter als auch Finanzvertriebe profitieren möchten. Allzu plump darf die Branche dabei allerdings nicht vorgehen, die Fondsanbieter Commerz Real und Deka haben sich schon Ärger wegen irreführender Werbung eingehandelt – geklagt hatte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Für noch größere Schlagzeilen sorgte zuletzt die DWS, bei der nach Vorwürfen einer Whistleblowerin Ende Mai sogar die Staatsanwaltschaft einrückte. Ganz unabhängig von diesen genannten Fällen sieht Isabelle Knoché, Rechtsanwältin bei KPMG Law in Frankfurt, ein weiteres Risiko auf die Branche zukommen: Klagen auf Schadenersatz wegen Greenwashing. Im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE legt sie ihre Argumente dar.


Frau Knoché, Sie warnen davor, dass der Finanzbranche womöglich ein "Green-Bond-Gate" drohe – vergleichbar mit dem "Dieselgate"-Skandal, der die Automobilindustrie erschüttert hat. Wie kommen Sie darauf?

Isabelle Knoché: Im Kern ist die Gefahr, dass Anleger sich getäuscht sehen, was die positiven Wirkungen ihres Investments angeht. Gelingt es ihnen, mit ihren Argumenten vor Gericht zu punkten, können sie zivilrechtlich einen Anspruch auf Schadenersatz geltend machen.

Ist das bereits einem Anleger geglückt?

Knoché: Mir ist heute kein konkreter Fall bekannt, in dem das gelungen ist. Aber es gab in jüngster Vergangenheit einige interessanten Entwicklungen in der Rechtsprechung. Dazu gehören auf der einen Seite die erfolgreichen Klimaklagen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung im März 2021 dazu verpflichtet, beim Klimaschutz nachzubessern. Im Mai 2021 wurde dann der Ölkonzern Shell auf Betreiben von Umweltschützern dazu verurteilt, seinen Kohlendioxidausstoß bis 2030 deutlich zu verringern. Und das Oberlandesgericht Hamm hält die Klage eines peruanischen Bauern gegen den Energiekonzern RWE für schlüssig. Wie dieses Verfahren ausgeht, ist offen. Klar ist aber, dass in diesem Bereich für Unternehmen Risiken lauern, die man früher ausgeblendet hatte. Dass solche Verfahren nicht nur Industriekonzerne treffen, sondern auch Finanzunternehmen, dürfte eine Frage der Zeit sein. Hinzu kommen auf der anderen Seite neue Klagemöglichkeiten, etwa die EU-Verbandsklage.

Was steckt dahinter?

Knoché: Die entsprechende EU-Richtlinie muss bis Ende dieses Jahres in nationales Recht umgesetzt werden. Sie erlaubt es "qualifizierten Einrichtungen" wie Verbraucherschutzorganisationen, Verbandsklage zu erheben. Das erweitert den Baukasten möglicher Massenklagen, wie es sie in Deutschland bislang mit dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz und der Musterfeststellungsklage gibt.

An welchem Punkt wären die Banken angreifbar?

Knoché: Ein Beispiel: Banken vergeben Kredite an Unternehmen, die dem Klima schaden, und emittieren auf der anderen Seite Green Bonds, die einen positiven Beitrag für die Umwelt liefern sollen. Ein Anleger, der sich getäuscht sieht, dürfte diesen Widerspruch als Argument sehen, um seine Position zu untermauern.

Es gibt doch Leitlinien, welche Projekte mit einem Green Bond finanziert werden dürfen und welche nicht.

Knoché: Diese sind aber nicht verpflichtend. Die EU-Kommission arbeitet an einem Standard, der sich an der Taxonomie orientiert. Davon liegt aber erst ein Entwurf vor. Aktuell kocht jeder sein eigenes Süppchen. Das ist gefährlich, eben weil verbindliche Regeln fehlen. Fraglich ist auch, ob eine Anleihe, die aktuell als Green Bond vermarktet wird, auch nach dem künftigen Standard noch "grün" ist. Das ist eine offene Flanke.

Was raten Sie den Banken?

Knoché: Maximale Transparenz. Sie sollten wirklich detailliert offenlegen, auf Basis welcher Vorgaben sie eine Anleihe als Green Bond einstufen. Sobald der EU-Standard vorliegt, empfehle ich dringend, sich daran zu orientieren. Das dürfte die Rechtsrisiken deutlich minimieren. Weiterhin empfehle ich, eine Compliance-Struktur aufzubauen, zum Beispiel durch die Benennung eines ESG-Beauftragten. Außerdem erscheint es sinnvoll, bereits jetzt Verteidigungslinien gegen mögliche Klagen zu entwickeln.

Gilt Ihre Warnung nur für Green Bonds? Auch bei manchem Fonds, der "ESG" im Namen trägt, besteht die Gefahr, dass sich Anleger getäuscht sehen.

Knoché: Das ist richtig. Auch hier beginnt sich der Regulierungsrahmen erst zu entwickeln. Nur wer wirklich transparent und konkret offenlegt, an welchen Kriterien er sich orientiert hat, wird im Fall der Fälle vor Gericht gute Argumente auf seiner Seite haben.

Auf der anderen Seite wurden Hunderte Seiten starke Wertpapier- und Fondsprospekte von erfahrenen Juristen ausgearbeitet. Der Branche ist durchaus zuzutrauen, dass sie sich rechtlich entsprechend abgesichert hat. Liegt die Gefahr daher nicht eher auf der Seite des Vertriebs? Der Berater hat ja kaum Zeit, seinen Kunden im Detail zu erläutern, warum genau der empfohlene Fonds als nachhaltig gelten darf.

Knoché: Das ist eine echte Herausforderung. Ich kann auch dem Vertrieb nur empfehlen, möglichst detailliert vorzugehen und mit konkreten Zahlen zu arbeiten als mit schwammigen Formulierungen. Nicht nur für die Emittenten, auch für den Vertrieb gilt, dass Greenwashing zum Haftungsrisiko wird.

Vielen Dank für das Gespräch. (bm)