Nachdem die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags mehr als ein Vierteljahr zurückliegt, hat FONDS professionell die finanzpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Parteien in Berlin besucht. Zwar treten Themen wie ein mögliches Provisionsverbot in Zeiten des Ukraine-Krieges in den Hintergrund, dennoch haben die Sprecher zu wichtigen Fragen der Finanzpolitik Stellung genommen. Heute bezieht Katharina Beck Position. Sie hat in der neuen Legislaturperiode als finanzpolitische Sprecherin der Grünen die Nachfolge von Lisa Paus angetreten.


Frau Beck, das Projekt, Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung (GewO) unter die Aufsicht der Bafin zu stellen, ist in der vergangenen Legislaturperiode nicht zustande gekommen. In den aktuellen Koalitionsvertrag hat es keinen Eingang gefunden. Sollte das Vorhaben Ihrer Ansicht nach trotzdem noch einmal aufs Tapet kommen?

Katharina Beck: Wir Grüne haben uns für eine einheitliche Aufsicht für Finanzanlagenvermittler und -Honorarfinanzanlagenberater stark gemacht und den Regulierungsversuch in der vergangenen Legislaturperiode unterstützt. Wir sind der Ansicht, dass die Aufsicht deutschlandweit nach vergleichbaren Standards und Abläufen auf einem einheitlich hohen Niveau stattfinden muss. Umso bedauerlicher war das Scheitern des Projekts. Wir werden in der Koalition für unser Vorhaben werben und versuchen eine Mehrheit für eine Vereinheitlichung der Aufsicht zu erlangen. Denn nur so lässt sich überall in Deutschland ein hohes Niveau an Verbraucher- und Anlegerschutz sicherstellen.

Auch ein Provisionsverbot in der Finanz- und Anlageberatung ist im neuen Koalitionsvertrag nicht vorgesehen, obwohl Bündnis 90/Die Grünen es im November 2021 noch vehement gefordert hatten. Werden Sie sich weiterhin für ein generelles Verbot der provisionsbasierten Beratung stark machen?

Beck: Es ist richtig, wir Grüne haben uns für ein Provisionsverbot stark gemacht. Zwar ist eine qualitativ hochwertige Beratung auf Provisionsbasis nicht ausgeschlossen. Dennoch besteht der Anreiz, eine an lukrativen Vergütungen und nicht eine auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zugeschnittene Beratung anzubieten. Diese Schieflage wollten wir korrigieren. Doch leider konnten wir uns nicht durchsetzen. Wir werden uns jedoch auch weiterhin dafür einsetzen, die Honorarberatung zu stärken und ihre Verbreitung unterstützen, auch auf EU-Ebene. Denn nach unseren Vorstellungen müssten eigentlich schon heute die gesetzlichen Voraussetzungen für einen schrittweisen und langfristig planbaren Übergang in ein neues Beratungssystem geschaffen werden. Es müssten bestehende Wettbewerbsnachteile für unabhängige Beraterinnen und Berater abgebaut werden, etwa das unterschiedliche Besteuerungsregime. 

Die Grünen engagieren sich außerdem für einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung. Wird sich das Vorhaben in dieser Legislaturperiode durchsetzen lassen?

Beck: Die Ampelkoalition hat sich darauf verständigt, die private Altersvorsorge auf neue Füße zu stellen. In diesem Zusammenhang werden wir uns auch den Vertrieb und die Kosten für Lebensversicherungsprodukte noch einmal genau ansehen. Hier gilt es, die Untersuchungen der Bafin abzuwarten, die bis Ende des Jahres überprüft, inwieweit die Vorschriften zur Vermeidung von Fehlanreizen im Vertriebssystem für Lebensversicherungen eingehalten werden. Damit wird das Thema noch einmal auf die Agenda kommen, nachdem die Union eine Regelung in der vergangenen Legislaturperiode blockiert hat. Das war aus unserer Sicht fatal, denn nach wie vor besteht dringender Handlungsbedarf, da bei einigen Lebensversicherungsprodukten noch immer zu viel Geld bei den Versicherern hängen bleibt, statt die Rente der Sparer zu sichern. Dies liegt nicht zuletzt an den Abschlussprovisionen, welche sich in der Spitze auf über zehn Prozent belaufen. 

Im Koalitionsvertrag ist die sogenannte "Aktienrente" verankert, deren Start nun erst einmal verschoben wurde. In der gesetzlichen Rentenversicherung soll das Umlageverfahren durch eine Anlage am Kapitalmarkt erweitert werden. Wird sich auf diese Weise tatsächlich eine Rente ermöglichen lassen, die den Lebensstandard der Bürger sichert, oder ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Beck: Für uns Grüne hat die Sicherung des Rentenniveaus oberste Priorität. Das umlagegestützte Rentensystem hat sich bewährt, wird aber durch die Entwicklung der Alterspyramide in unserem Land vor neue Herausforderungen gestellt. Vor diesem Hintergrund wurde im Koalitionsvertrag festgelegt, zehn Milliarden Euro aus dem Haushalt für einen dauerhaften, öffentlich verwalteten Fonds bereitzustellen, der zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente beitragen soll. Zusätzlich räumen wir der Deutschen Rentenversicherung die Möglichkeit ein, ihre Reserven am Kapitalmarkt reguliert anzulegen. Wichtig ist uns dabei zu betonen, dass der gesetzliche Rentenanspruch der Menschen in unserem Land durch die Neuerung unangetastet bleibt und nicht abhängig von den Entwicklungen der Kapitalmärkte ist. 

Und wie wird es mit der Riester-Rente weitergehen? 

Beck: Die Riester-Rente hat ihre Ziele nicht erreicht. Die Produkte sind teuer, undurchschaubar und haben einen viel geringeren Ertrag als ursprünglich erwartet. Insbesondere Geringverdienende können sich das "Riestern" oft nicht leisten. Deswegen haben viel zu wenige davon Gebrauch gemacht. Wir brauchen daher einen Neustart bei der geförderten privaten Altersvorsorge. Aus unserer Sicht sollte hier ein öffentlich verwalteter Bürgerfonds als Alternative zu Riester-Produkten er-richtet werden. Dieser sollte ein kostengünstiges Standardprodukt für die zusätzliche Altersvorsorge anbieten, von einer unabhängigen Institution verwaltet werden und nachhaltig anlegen. Ein langfristiger Anlagehorizont und ein breit diversifiziertes Portfolio geben Sicherheit, sodass der Bürgerfonds auf teure Garantien verzichten kann. Zudem wollen wir die heutige Riesterförderung auf Geringverdienende konzentrieren. Für Menschen mit einem bestehenden Riestervertrag soll Bestandsschutz gelten.

Ab dem 22. August 2022 sollen Anlageberater die Nachhaltigkeitspräferenzen Ihrer Kunden in der Geldanlage abfragen. Ist dies ein vernünftiges Projekt, das zu mehr Nachhaltigkeit führen wird?

Beck: Es ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. Die Zahl der Anlegerinnen und Anleger, die ihr Geld in Unternehmen investieren wollen, die umwelt- und/oder sozialverträglich wirtschaften, wächst stetig. Dabei sind die individuellen Themenpräferenzen vielfältig. Natürlich kann dies für viele Anlageberaterinnen und -berater zunächst eine Herausforderung darstellen. Deshalb sollte die Branche zeitnah zusammen mit Experten in diesem Themenbereich ihre Fort- und Ausbildungsinhalte anpassen und Nachhaltigkeitsaspekte zum festen Bestandteil machen. Darüber hinaus wollen wir die Qualifikation in der Beratung insgesamt erhöhen.

Mit dem Regelwerk der Taxonomie legt die EU-Kommission Standards für ökologisches Wirtschaften fest. Atom- und Gasenergie werden in dem Klassifizierungssystem nun aber als nachhaltig eingestuft. Wie bewerten Sie diese Einstufung? 

Beck: Es ist absurd und ein herber Rückschlag für alle, die wie ich große Hoffnung in die Taxonomie und die europäische Sustainable Finance Agenda setzen. Aktuell versuchen wir, dies im Europäischen Parlament zu verhindern. Durch die Einstufung von Atomenergie und übergangsweise auch fossilem Gas als nachhaltig wäre die Taxonomie kein wirklich kluges Markt-Vehikel mehr für die Lenkung von Privatkapital in zukunftsgerichtete Nachhaltigkeit. Sie würde eher zu einem Industrieprojekt, um unwirtschaftliche Energieformen staatlich zu unterstützen. Dadurch würde ein eigentlich gutes Konzept für die Kapitalmärkte, die sich dringend eine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit wünschen, ad absurdum geführt.

Welche großen finanzpolitischen Pläne verfolgt Ihre Partei in der laufenden Legislaturperiode?

Beck: Den Wandel hin zu einer neuen Nachhaltigkeit im Finanzbereich zu gestalten, ist eins der grünen Kernanliegen in den kommenden Jahren. Dafür braucht es bessere Rahmenbedingungen und Anreizstrukturen im Finanzsektor und im Wirtschaftssystem insgesamt. Außerdem treten wir für mehr Steuergerechtigkeit ein. Dazu gehört auch der konsequente Kampf gegen Steuerhinterziehung und Finanzkriminalität. Das gesamte Paket schafft auch fairere Wettbewerbsbedingungen für kleine und Kleinstunternehmen, deren Situation zu verbessern, mir ebenfalls ein Anliegen ist. 

Vielen Dank für das Gespräch. (am)

Zu allen Fragen hat auch bereits Stellung genommen:
Michael Schrodi, SPD


Einen Bericht über die Standpunkte der Finanzexperten aller im Bundestag vertretenen Parteien zu aktuellen Fragen der Finanzpolitik, zu Altersvorsorge und Nachhaltigkeit finden Sie in der neuen Ausgabe 1/2022 von FONDS professionell, die Ende März erschienen ist. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.