"Ein Provisionsverbot im beratungsfreien Geschäft würde aus unserer Sicht nicht zu höheren, sondern zu niedrigen Kosten und damit zu einer höheren Rendite für Kleinanleger führen." Dies sagte Andrea Liesenfeld, stellvertretende Leiterin der Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion bei der Europäischen Kommission, am Mittwoch (21.2.) bei einer Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages zur geplanten EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy).

Die Folgenabschätzung der Kommission habe die positiven Auswirkungen eines generellen sowie eines partiellen Verbots von Zuwendungen in der Finanzberatung belegt. "Insbesondere hat sie gezeigt, dass ein Provisionsverbot potenzielle Interessenkonflikte löst, die es auch im beratungsfreien Geschäft gibt", erklärte Liesenfeld. Hier müssten Privatanleger aktuell zum Teil über Jahre für Provisionen aufkommen, obwohl sie keinerlei Beratung in Anspruch genommen haben. Zudem seien die Kosten in Deutschland im EU-Vergleich besonders hoch.

Angebotsvielfalt wird nicht leiden
"Wir sehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angebotsvielfalt im Falle eines partiellen Provisionsverbots leiden würde", sagte Liesenfeld. Schließlich habe jeder Broker ein Interesse daran, seine Plattform attraktiv zu gestalten und möglichst viele Produkte anzubieten.

Bei der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss auf Einladung der FDP machten Sachverständige, darunter Vertreter von Verbänden der Finanzwirtschaft sowie Experten von Hochschulen, erneut ihre Positionen zu den Plänen einer Kleinanlegerstrategie von EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness deutlich. Anlass für den Schlagabtausch war ein Antrag der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion für ein kritische Prüfung des Entwurfs durch den Bundestag.

Zwei Prozent mehr Rendite nach Provisionsverbot
Eine Studie seiner Hochschule habe gezeigt, dass es in Ländern wie Großbritannien und den Niederlanden, die ein Provisionsverbot bereits eingeführt haben, für Kunden zu einer Renditesteigerung von jährlich etwa zwei Prozent gekommen sei, sagte Steffen Sebastian, Professor an der Universität Regensburg. Auch bei Haushalten mit kleineren und mittleren Einkommen habe sich in der Untersuchung kein Rückgang des Sparverhaltens feststellen lassen. Die vielbeschworene "Beratungslücke" sei ebenfalls nicht belegt worden. 

Marcus Mecklenburg, Leiter der Rechtsabteilung des deutschen Fondsverbandes BVI, führte eine Studie seines Verbands ins Feld, die zu gegenteiligen Ergebnissen gekommen war. Diese habe gezeigt, dass in Ländern wie Großbritannien oder den Niederlanden die Aktivität von Kleinanlegern nach Einführung des Provisionsverbots sehr wohl deutlich zurückgegangen sei. Sebastian bemängelte die Datenbasis der BVI-Untersuchung. Der Verband habe sich bei seiner Studie auf Großbritannien und die Länder des Euroraums ohne Osteuropa beschränkt. Daher seien die Ergebnisse wissenschaftlich nicht haltbar. Die Universität Regensburg hingegen habe Daten aus allen OECD-Ländern ausgewertet.

Die Frage nach der Unabhängigkeit
Auch die Passagen des Entwurfs für eine EU-Kleinanlegerstrategie, die die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD ändern sollen, waren Teil der Anhörung. Es müsse klargestellt werden, dass der Begriff der Unabhängigkeit weiterhin für die Versicherungsberatung auf Honorarbasis reserviert ist, sagte Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Genau dies wird in der Versicherungsbranche derzeit kontrovers diskutiert. Sollten nach dem Willen der EU-Kommission auch freie Versicherungsvermittler als unabhängig eingestuft werden, dürften sie keine Provisionen mehr einbehalten.

In der Debatte über die Auswirkungen eines Provisionsverbots werde häufig "der Wert der Beratung" verkannt, erklärte Anja Käfer-Rohrbach vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Bei hochkomplexen Themen wie der Geldanlage und der Altersvorsorge sei eine persönliche Beratung aber unabdingbar. Dies gelte umso mehr, als Studien den Bundesbürgern immer wieder eine geringe Finanzbildung bescheinigen.

Keine weiteren Eingriffe ins Vergütungssystem
Finanz- und Versicherungsvermittlern komme eine große Verantwortung zu, erklärte Wolfgang Eichele, Hauptgeschäftsführer und geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Es sei ihre Aufgabe, Verbraucher dazu zu bringen, etwas für ihre Altersvorsorge zurückzulegen, statt zu konsumieren. Noch weiter ins Vergütungssystem einzugreifen, sei daher nicht zielführend. Es sei angesichts der bestehenden Aufsicht durch die Industrie- und Handelskammern sowie die Gewerbeämter einerseits und die Finanzaufsicht Bafin andererseits auch nicht notwendig. 

Auch Eichele forderte eine eindeutige Definition des Begriffs der Unabhängigkeit. Eine Klarstellung sei dringend erforderlich, um unnötige Diskussionen zu vermeiden, drohende Provisionsverbote für Makler zu verhindern und den Zugang zum Finanzmarkt für EU-Bürger nicht einzuschränken, konstatierte er. (am)