Mit ihrer Taxonomie hat sich die Europäische Kommission viel vorgenommen: Es geht um nicht weniger als eine Definition davon, welche Wirtschaftsaktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten dürfen. Das Klassifizierungssystem hat auch für die Investmentbranche große Bedeutung, insbesondere wenn es um das Management von Ökofonds geht.

Bei der Einführung der Taxonomie legte die Brüsseler Behörde sechs Umweltziele fest: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Kontrolle der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Näher definiert wurden bislang nur die beiden ersten Umweltziele. Nun sollen die vier anderen folgen. "In diesem Rahmen berief die Europäische Kommission von Anfang April bis 3. Mai eine Konsultation ein, die 'Taxo4' genannt wird", berichtet die französische Fondsgesellschaft Mandarine Gestion. Zu beachten sei, dass in dem Vorschlagstext der Kommission auch Änderungen an den beiden ersten Klimazielen vorgenommen wurden, um zusätzliche Wirtschaftsaktivitäten aufzunehmen.

48 neue "grüne" Aktivitäten
Die aktuellste Version der Taxonomie enthält Mandarine Gestion zufolge 48 neue Aktivitäten. "Die präziseren Angaben zu den vier weiteren Zielen ermöglichten die Hinzunahme von 35 Aktivitäten in den Sektoren Wasserversorgung, Abwasser und Abfallentsorgung, öffentlicher Hoch- und Tiefbau, Umweltschutz und Hotelgewerbe", erläutert der Asset Manager. Durch die Änderungen an den beiden Klimazielen konnten zudem 13 Aktivitäten hinzugefügt werden, insbesondere im Transportsektor und bei der Produktion von Elektrogeräten.

"Zu den Details gehört, dass die Luftfahrtindustrie nun zu den Übergangsaktivitäten gehören wird, sofern die neuen Flugzeuge je nach Tonnage 1,5 bis zwei Prozent effizienter sind", so Mandarine Gestion. "Das mag wenig erscheinen. Dagegen scheint uns die Verpflichtung zur Zertifizierung von ausschließlich mit SAF – aus nichtfossilen Rohstoffen hergestelltem Luftfahrttreibstoff – betriebenen Flugzeugen bis 2032 eine sehr viel ambitioniertere Vorgabe zu sein, da sie von der Verpflichtung begleitet wird, bis 2030 einen SAF-Anteil von zehn Prozent zu nutzen. Anschließend soll dieser Anteil von Jahr zu Jahr konstant steigen."

Vorgaben für den Hochbau und die Hotellerie
Für den Hochbau werde im Bereich der Kreislaufwirtschaft verlangt, dass 90 Prozent des Mülls (bezogen auf das Gewicht), der bei Bau- und Abrissarbeiten entsteht, wiederverwendet oder recycelt wird. "In der vorgelagerten Industrie wird dies die Hersteller zu Innovationen bei Produkten für die Bauunternehmen anspornen", zeigen sich die Experten von Mandarine Gestion überzeugt. "Nachgelagert werden Ketten für die Wiederverwertung und Entsorgung von Müll entstehen. Dieser Gedanke der Kreislaufwirtschaft findet sich auch im Bereich des Wassermanagements wieder und zwingt zum Auffangen von Grauwasser."

Die Hotellerie werde nun im Bereich der Biodiversität berücksichtigt. "Sie wird verpflichtet, eine Vereinbarung mit der lokalen Organisation zu unterzeichnen, die in der Umgebung des Hotels für den Schutz der Umwelt zuständig ist", erläutert die Pariser Fondsgesellschaft. "Diese Vereinbarung mit einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren muss den Kauf lokaler Produkte, die Sensibilisierung der Besucher für die Biodiversität vor Ort oder auch ein Angebot für den zahlungspflichtigen Besuch von Naturräumen umfassen. 0,5 bis 1 Prozent sind an die lokale Organisation abzuführen, die für den Schutz der Umwelt zuständig ist."

Die neuen Vorgaben sollen ab Anfang 2024 gelten
Die endgültigen Texte möchte die EU-Kommission noch im Juni veröffentlichen. "Anschließend wird es eine mindestens zweimonatige Überprüfung geben, während der das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union Einspruch gegen die Texte erheben können", so Mandarine Gestion. "Wird kein Einspruch erhoben, treten die Texte in Kraft und gelten ab dem 1. Januar 2024." (bm)