Der europäische Vermittlerverband Fecif befürchtet ein Ende des "Open Architecture"-Modells im Fondsvertrieb. Die Vereinigung, die europaweit fast 250.000 Finanzberatungsunternehmen und andere Intermediäre vertritt, macht in einer Stellungnahme außerdem auf ein mögliches Haftungsproblem mit Blick auf die Produktüberwachungspflichten unter der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II aufmerksam.

Das Fecif-Papier bezieht sich auf Vorschläge der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA, mit denen den eher allgemein gehaltenen Produktüberwachungspflichten ("Product Governance") der Mifid II Leben eingehaucht werden soll. Die Pariser Behörde hatte ihren Entwurf im Oktober vergangenen Jahres vorgelegt und die Branche um Stellungnahmen bis Anfang Januar gebeten (FONDS professionell ONLINE berichtete). Dem kam die Fecif nun nach – und ihre Antwort hat es in sich.

ESMA-Definition entspricht nicht der Intention der Richtlinie
Mifid II sieht vor, dass Anbieter und Vertriebe von Finanzinstrumenten einen Zielmarkt für ihre Produkte bestimmen müssen. Die Vertriebe, etwa Banken oder Finanzdienstleister, müssen strikt darauf achten, dass der Fonds oder das Zertifikat nur an Anleger aus dem entsprechenden Zielmarkt vermittelt werden. Abweichungen sind zu begründen. Im Produktgenehmigungsverfahren wird außerdem geprüft, ob die beabsichtigte "Vertriebsstrategie" dem Zielmarkt entspricht.

Der Fecif zufolge ergibt sich aus dem ESMA-Papier nun eine Definition des Vertriebsstrategie-Begriffs, der nicht der Intention der ursprünglichen Richtlinie entspricht. Die Vorschläge liefen darauf hinaus, dass auch die Anbieter eine Vertriebsstrategie für jedes Produkt formulieren müssen – basierend auf den Informationen, die die Vertriebe ihnen zur Verfügung stellen.

Das sei in der Praxis unmöglich, betont Fecif-Vorsitzender Johannes Muschik. "Die ESMA geht offensichtlich davon aus, dass es immer eine direkte Verbindung zwischen Herstellern und Vertrieben gibt. Das ist allerdings nicht der Fall."

Der Anbieter kann die Vertriebsstrategie nicht überwachen
In vielen europäischen Staaten laufe das Geschäft zu großen Teilen über sogenannte "Open Architecture"-Fondsplattformen, die Hunderte Anbieter auf der einen Seite mit Hunderten Vertrieben auf der anderen Seite verbinden. Die Vertriebe kooperieren mit den Fondsplattformen, um ihren Kunden das gesamte Spektrum verfügbarer Produkte anbieten zu können.

"Es ist offensichtlich, dass das Vertriebsstrategie-Konzept, das die ESMA eingeführt hat, in einer Welt der 'Open Architecture' nicht funktionieren kann", so Muschik. Es sei schlicht unmöglich, dass ein Anbieter die Vertriebsstrategien aller seiner Vertriebspartner kenne und überwache, da er oft gar nicht wisse, welche Unternehmen seine Produkte vertreiben. Beide Seiten hätten meist nur Verträge mit der Fondsplattform, nicht aber direkt miteinander. Die Fecif drängt deshalb darauf, die Regeln so zu überarbeiten, dass sie praxistauglich sind.

Kein einheitliches Startdatum
Sorgen bereitet der Fecif ein weiterer Punkt aus dem ESMA-Entwurf: Geht es nach den Vorschlägen der Behörde, sollen die Vertriebe das Konzept der Zielmärkte ab 3. Januar 2018 anwenden – dem Tag, an dem die Mifid II in Kraft tritt. Für die Produktanbieter dagegen gibt die ESMA kein konkretes Datum vor. Die Aufseher verlangen lediglich, dass sie die Zielmarktdefinition während der ersten Produktanpassung, die auf den 3. Januar 2018 folgt, in die Verkaufsprospekte einfügt. "Es scheint so, als würde für die Zwischenzeit die alleinige Verantwortung für die Definition der Zielmärkte auf die Vertriebe übertragen", sagt Fecif-Generalsekretär Paul Stanfield.

Er weist auf mögliche Konsequenzen hin: "Was würde passieren, wenn der Vertrieb einen Zielmarkt definiert und der Anbieter später mit einer anderen Definition nachzieht? Hätte der Vertrieb dann eine unsachgemäße Beratung angeboten? Hätten die Kunden in diesem Fall ein Recht auf Rückabwicklung des Geschäfts? Soll der Vertrieb seine Kunden informieren, dass er zwar nach bestem Wissen und Gewissen einen Zielmarkt definiert hat, aber nicht weiß, ob später nicht eine andere Definition des Anbieters folgt?"

In keinem dieser Szenarien wäre den Anlegern geholfen, so Stanfield. "Wir werden weiter mit den Regulatoren zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die neuen Regeln die Verbraucher in angemessener und praktikabler Weise schützen." (bm)