Wer professionell mit Wertpapieren handelt, muss seit Inkrafttreten der Finanzmarktrichtlinie Mifid II bestimmte Meldepflichten einhalten. Dazu zählt, Handelsaufträge mit Angabe der Zulu-Zeit an die Aufsicht durchzugeben, mitunter auf die Mikrosekunde genau. Und die Handelsteilnehmer sollten darauf achten, wenn der Internationale Dienst für Erdrotation und Referenzsysteme (IERS) die nächste Schaltsekunde bekannt gibt. Dann sollte entsprechend der Empfehlung TF.406-6 der International Telecommunication Union Radio Communication (ITU-R) gehandelt werden.

Die Formulierungen klingen, als seien sie einer Satire entnommen – doch sie sind seit dem 3. Januar für alle Gesetz, die im Auftrag anderer mit Wertpapieren handeln. Diese wirr anmutenden Phrasen finden sich nämlich in einem Leitfaden der europäischen Finanzaufsicht ESMA, und zwar in den "Leitlinien – Meldung von Geschäften, Aufzeichnung von Auftragsdaten und Synchronisierung der Uhren nach Mifid II". In dem 317 Seiten starken Papier führt die Behörde aus, wer wann und wie Transaktionen von Aktien, Anleihen oder Derivaten zu melden hat.

Bürokratie-Monster übergestülpt
Diese Pflichten richten sich an Broker, Börsen und Investmentbanken – aber auch an Vermögensverwalter, die nach Paragraf 32 Kreditwesengesetz reguliert sind. "Die ESMA schießt mit den Vorgaben in erster Linie auf große Akteure. Sie trifft damit aber auch Vermögensverwalter. Denen stülpt sie damit ein Bürokratie-Monster über, das in keiner Proportion zum Nutzen steht", wettert Thomas Wüst von Valorvest aus Stuttgart. Denn Versuche zur Marktmanipulation würden sich meist in einer Flut von Börsentransaktionen, auch mittels automatisierter Handelssysteme, verstecken – und nicht in vereinzelten Aufträgen von kleinen Beratungshäusern.

Wüst verweist zwar auch darauf, dass meist die Depotbanken die Meldungen übernehmen. Vermögensverwalter sind so damit von der lästigen Pflicht entbunden. Doch es gibt Ausnahmen. So zieren sich etwa Institute aus der Schweiz mit Verweis auf das dortige Bankgeheimnis, solche Meldungen abzusetzen. Auch kleinere heimische Geldhäuser könnten hier mitunter nicht mitziehen, heißt es vom Verband unabhängiger Vermögensverwalter.

Kein blindes Vertrauen
Auch wenn also Vermögensverwalter die Meldung ihren Depotbanken überlassen können, mit dem 317 Seiten starken Leitfaden sollten Sie sich dennoch zumindest einmal beschäftigt haben. "Für die Erfüllung der regulatorischen Pflichten ist der Vermögensverwalter zunächst einmal selbst verantwortlich", sagt Wüst. "Ich darf nicht blind darauf vertrauen, dass andere die Meldungen für mich korrekt abgeben." Daher muss man sich mit der Materie auseinandersetzen.

Das ist mühsam. Denn wer weder eine Militärlaufbahn in der Nato absolviert noch eine Pilotenlizenz erworben hat, dürfte etwa mit dem Begriff "Zulu-Zeit" kaum etwas anfangen können. Dahinter verbirgt sich die sogenannte koordinierte Weltzeit (UTC), landläufig als "Greenwich-Zeit" bekannt. Und die Schaltsekunden ähneln dem 29. Februar im Schaltjahr, nur eben im Kleinen. Immerhin können Vermögensverwalter an dieser Stelle einmal kurz aufatmen: Eine auf die Mikrosekunde genaue Meldepflicht gilt nur für Hochfrequenzhändler.

Fortbildung zum Funktechniker
Doch der ESMA-Leitfaden bietet weitere skurrile Kost (lesen Sie hierzu auch den Kommentar von FONDS-professionell-Redakteur Sebastian Ertinger). So dürfen Wertpapierhändler für die exakte Messung der Handelszeiten auf Satelliten gestützte Navigationssysteme wie GPS heranziehen. Dabei sollte man aber die Laufzeit des Signals vom Satellit zur Erde beachten und in seine Meldung einkalkulieren – ebenso wie mögliche Signalstörungen durch Sonneneruptionen. Für den Beruf des Vermögensverwalters ist also nicht mehr nur fundiertes Finanzwissen erforderlich, es steht bald auch eine Fortbildung zum Funktechniker an. (ert)