Banken und Vermögensverwalter haben sich zwar monatelang auf die überarbeitete Fassung der Finanzmarktrichtlinie vorbereitet, doch einigen hat die Zeit wohl nicht gereicht. "Viele unfertige Systeme gehen am 3. Januar live ", sagt Marc Maynard, ein Partner bei Excelian Luxoft Financial Services, der dabei hilft, Mifid-II-Technologieprojekte für Banken auf den Weg zu bringen, gegenüber Bloomberg. Es habe zuletzt so viel Neues über Mifid II gegeben, dass zahlreiche Marktteilnehmer nun hinterherhinken würden.

Europas Aufsichtsbehörde ESMA hat fleißig detaillierte Leitlinien zu allen möglichen Themen veröffentlicht, von Leverage bis hin zu Optionen, noch während das Fristende näher rückte. Die Erkenntnis, dass man eventuell des Gutgemeinten zuviel geleistet hat, kam spät: Erst am Mittwoch der vergangenen Woche räumten die ESMA-Oberen so etwas wie eine sechsmonatige Gnadenfrist für einige der beschlossenen Handelsregeln ein. Dennoch schwant vielen Finanzfirmen – die ohnehin mit einer Fülle an denkbaren Fehlerquellen und möglichen Missgeschicken zu kämpfen haben – dass ihre bewährten Technologien und prozessorgesteuerten Arbeitsroutinen nicht wirklich "Mifid-II-ready" sind.

So unglaublich es klingt: Eine offizielle Zeitvorgabe, bis wann der IT-Wechsel zu den neuen Regeln vollzogen sein muss, existiert nicht. Stattdessen werden Handelsplätze und Wertpapierfirmen, die unter die neue Richtlinie fallen, zu Beginn des ersten Arbeitstages 2018 einfach den Schalter umlegen und schauen, was dann passiert, sagte ein ESMA-Sprecher auf Bloomberg-Nachfrage.

"Die meisten Vermögensverwalter werden bereit sein"
Während  Beobachter wie Benjamin Quinlan, Chef der Beratungsfirma Quinlan & Associates, ein heilloses "Durcheinander" vorhersagen, sind andere wie Andreas Utermann, Vorstandschef von Allianz Global Investors, entspannter. "Ich glaube nicht, dass wir Störungen sehen werden", sagte Utermann, dessen Unternehmen rund 580 Milliarden US-Dollar verwaltet. "Die meisten Vermögensverwalter werden bereit sein, die meisten Broker werden bereit sein – und das erste Quartal wird wirklich von allen Beteiligten genutzt werden, um die Systeme zu testen und zum Laufen zu bringen."

Vorangegangene Reformen nach der Finanzkrise wurden schrittweise umgesetzt, meint Chris Dickens, Chief Operating Officer für die EMEA-Region bei HSBC. Die größte Herausforderung wird nun darin bestehen, die schiere Fülle an Veränderungen, die Mifi II mit sich bringt, gleich am ersten Tag zu bewältigen.

Sprung ins eiskalte Wasser
Nicht sicher zu wissen, ob die Systeme funktionieren, sei ein großes Problem für die Investmenthäuser und könnte zu Technologieabstürzen führen, erklärt ein Banker, der direkt an den Planungen für die Regeln beteiligt war, aber nicht namentlich genannt werden will. "Dort werden die Hauptprobleme am 3. Januar liegen, weil diese Kommunikationskanäle noch nicht getestet wurden", sagt Maynard. Bevor man mit der Transaktions- und Handelsberichterstattung live geht, hätte es seiner Meinung nach besser einen simulierten Test unter Realbedingungen, aber ohne reale Konsequenzen geben sollen.

Für Händler jedenfalls wird der erste Mittwoch des Jahres 2018 wie ein erneuter Schulbesuch unter strenger Aufsicht sein – mit Compliance-Experten, Mifid-II-Spezialisten und IT-Experten. (mb/Bloomberg)