Mifid II hat nach Meinung der meisten Vermögensverwalter ihr wichtigstes Ziel verfehlt: 85,7 Prozent der bankenunabhängigen Finanzportfolioverwalter geben an, die EU-Finanzmarktrichtlinie habe den Anlegerschutz nicht verbessert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des an der Hochschule Aschaffenburg angesiedelten Instituts für Vermögensverwaltung (InVV), die FONDS professionell ONLINE vorliegt.

Die Details der Untersuchung, für die das InVV 184 Vermögensverwalter mit Erlaubnis nach Paragraf 32 Kreditwesengesetz befragen ließ, fallen jedoch differenzierter aus. "Die Aspekte Geeignetheitsprüfung, Kostentransparenz, Zuwendungsverbot und Sachkundenachweis wurden von den meisten Studienteilnehmern als sinnvoll angesehen oder zumindest als neutral bewertet", sagt InVV-Leiter Hartwig Webersinke.

Anders sieht es mit der Zielmarktbestimmung und der Telefonaufzeichnung aus, deren Sinn nur wenige Studienteilnehmer erkennen. "Zudem müssen die Vermögensverwalter Telefongespräche selbst dann aufzeichnen, wenn der Kunde schriftlich darauf verzichtet. Das widerspricht dem Bild des mündigen Anlegers", so Webersinke, der auch Dekan an der Hochschule Aschaffenburg ist.


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Viel Arbeitszeit geht für Bürokratie drauf
Die Umsetzung von Mifid II hat die Vermögensverwalter 2017 viel Zeit gekostet: 64 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass der Zeitaufwand für regulatorische Maßnahmen im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegen sei. Der prozentuale tägliche Arbeitsaufwand hat sich demnach von zuvor 21 auf 27 Prozent erhöht. Viele Vermögensverwalter beklagen auch, dass die regulatorischen Anforderungen die Zeit für den Kontakt zu den Kunden verknappen. Der Zeitanteil für die Betreuung der Mandanten ging im Vergleich zur vorherigen Umfrage um fast zehn Prozent zurück.

Die Teilnehmer der Umfrage beklagten zudem, dass die wegen Mifid II geforderten Dokumente zu einer Informationsflut führten, die die Kunden überfordere. Zudem belaste das bürokratische Prozedere das Vertrauensverhältnis zwischen Kunden und Vermögensverwaltern, weil hinter den vorgeschriebenen Maßnahmen ein latentes Misstrauen zum Ausdruck komme.

"Die Gefahr ist real: Wir werden zu Tode reguliert"
Ähnlich hatte sich Andreas Grünewald, der Vorsitzende des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter (VuV), jüngst im Interview mit FONDS professionell geäußert: "Die Gefahr ist real: Wir werden zu Tode reguliert", sagte er. "Wir begrüßen jede Initiative, den Anlegerschutz zu verbessern, sagen aber genauso deutlich, dass spätestens mit Mifid II die Regulierungswut derart überhandgenommen hat, dass die durchaus positiven Aspekte wie die Kostentransparenz überdeckt werden", so Grünewald.

Für die unabhängigen Vermögensverwalter besteht die Lösung folglich nicht im Ausbau der Regulierung. Vielmehr sollten derartige Maßnahmen, wo möglich, reduziert und stattdessen die ökonomische und finanzielle Bildung im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes gefördert werden. "Wer sich selbst ein Bild von den Finanzmärkten machen kann, muss weniger durch Regulierung geschützt werden als ein unwissender Anleger – darin waren sich die meisten Vermögensverwalter einig", sagt Webersinke. (bm)