Die neue EU-Namensleitlinie hat laut einer Analyse von Morningstar "erhebliche Auswirkungen" auf die Produktgestaltung oder umgekehrt auf die Benennung von Nachhaltigkeitsfonds (ESG-Fonds). "Sie hat das Potenzial, die ESG-Fondslandschaft in Europa komplett umzugestalten, weil möglicherweise Tausende von ESG-Fonds von den neuen Vorgaben betroffen sind", schreibt Hortense Bioy, Head of Sustainable Investing Research bei Morningstar Sustainalytics, in einem aktuellen Bericht.

In der Analyse wurden rund 4.300 Fonds mit Namensbestandteilen untersucht, die Nachhaltigkeit suggerieren. Zu 2.500 dieser Produkte liegen Daten über die Aktienbestände vor. Davon wiederum sind mehr als 1.600 in mindestens einer Aktie investiert, die möglicherweise gegen die Ausschlussregeln der Paris-Aligned Benchmark (PAB) und der Climate Transition Benchmark (CTB) verstößt.

Milliardenbewegung droht
"Das heißt, rund zwei Drittel der von uns identifizierten Fonds müssen sich möglicherweise entscheiden, ob sie sich entweder von diesen Titeln trennen oder ihr Image ändern", so Bioy. "Würden alle diese Fonds ihre Namen behalten und sich stattdessen von nicht-nachhaltigen Aktien trennen, könnte das zu Verkäufen im Wert von bis zu 40 Milliarden US-Dollar führen", erklärt die Expertin.

Potenzielle Veräußerungen könnten insbesondere in den Sektoren Energie, Industrie – etwa Eisenbahnen und Verteidigung – sowie bei Grundstoffen stattfinden. Gemessen am Marktwert würden die Verkäufe in den USA, Frankreich und China am stärksten ins Gewicht fallen, gemessen an der Zahl der Unternehmen in China, den USA und Indien. Zu den am stärksten betroffenen Aktien gehören Total Energies, Tencent Holdings, Ecolab und Shell.

Umpositionierung als Transformationsfonds
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Aufgrund der strengen PAB-Ausschlüsse erwarten wir, dass viele Fonds 'ESG' und verwandte Begriffe aus ihren Namen streichen werden, einige werden sich als Transformationsfonds neu positionieren", so Bioy. Für diese Transformationsfonds gelten die weniger strengen CTB-Ausschlüsse, sofern sie einen klaren und messbaren Übergangspfad nachweisen können, wie Bioy betont.

Für den Fall, dass die Mindestschwelle für eine "bedeutende" Allokation in nachhaltigen Investments auf 30 Prozent festgelegt wird, rechnet Bioy damit, dass bestenfalls nur 56 Prozent der Fonds mit dem Begriff "nachhaltig" in ihrem Namen diesen Begriff beibehalten könnten. Die restlichen 44 Prozent der Fonds müssten ihre Allokation in nachhaltigen Investments erhöhen, ihre nachhaltige Anlagemethode anpassen oder sich umbenennen, heißt es.

Finale Leitlinien
Mitte Mai hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA) den finalen Report für die Leitlinien vorgelegt. Künftig müssen Fonds, die in ihren Namen ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe verwenden, entweder die neuen Portfolioanforderungen erfüllen oder den Namen ändern. Es gilt ein Minimum von 80 Prozent an spezifischen Investitionen. Zusätzlich müssen Fonds, die den Schlüsselbegriff "nachhaltig" nutzen, "bedeutende" Anteile auch tatsächlich so investieren, wobei hier die nationalen Behörden noch konkretere Vorgaben machen können. Zusätzlich gibt es qualitative Erfordernisse für Fonds, die Begriffe wie "Transition" oder "Impact" verwenden. Auf diese Weise sollen künftig irreführende Angaben zur Nachhaltigkeit eingeschränkt werden.

Die Leitlinien müssen noch in die EU-Sprachen übersetzt werden. Sie gelten drei Monate nach der Veröffentlichung der Übersetzungen, vorbehaltlich einiger Übergangsbestimmungen für Fondsverwalter. (eml)


Den finalen ESMA-Report gibt es hier zum Download (externer Link).