Wird ein bisher wenig bekannter Token an einer großen Börse gelistet, steht ihm mit hoher Sicherheit eine Preisexplosion bevor. Dementsprechend können Anleger, die über das anstehende Listing Bescheid wissen, eine hohe Rendite mit wenig Risiko erzielen, wenn sie sich vorab mit diesen Token eindecken. Seit langem existieren Hinweise, dass dieser verwerfliche Insiderhandel in der Branche Usus ist. Nun gibt es in einem Fall handfeste Konsequenzen.

Bundesstaatsanwälte bringen in Manhattan zum ersten Mal einen Fall von Insiderhandel mit digitalen Coins vor Gericht. Sie beschuldigen einen ehemaligen Produktmanager von Coinbase Global der Weitergabe von Informationen. Laut Anklageschrift soll Ishan Wahi seinem Bruder Nikhil und dessen Freund Sameer Ramani Tipps gegeben haben, bevor Token an der Börse gelistet wurden. Nikhil Wahi und Ramani sollen diese Informationen genutzt haben, um mindestens von Juni 2021 bis April 2022 mit Token zu handeln. Sie hätten dabei einen Gewinn von mehr als einer Million Dollar erzielt, so die Anklage.

Nach Ermittlungen der New Yorker Staatsanwaltschaft und der Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) wurde Ishan Wahi vergangene Woche festgenommen. Wahi, der bei einer auf Anlageprodukte spezialisierten Coinbase-Einheit für Börsennotierungen zuständig war, soll außerdem gegen die Betrugsbekämpfungsvorschriften der SEC verstoßen haben. Sein Anwalt lehnte eine Stellungnahme ab, wie die Nachrichtenagentur "Bloomberg" berichtet. Auch der Bruder des Coinbase-Managers wurde festgenommen, während dessen Freund auf freiem Fuß blieb.

Blockchain ist kein rechtsfreier Raum
"Die heutigen Anklagen sind eine weitere Erinnerung daran, dass Web3 kein rechtsfreier Raum ist", betonte der US-Staatsanwalt von Manhattan, Damian Williams, in einer Erklärung. "Unsere Botschaft ist klar: Betrug ist Betrug ist Betrug, egal ob er auf der Blockchain oder an der Wall Street stattfindet." Er fügte hinzu, dass Coinbase bei der Untersuchung kooperiert habe. Web3 ist ein Oberbegriff für Blockchaintechnologien.

Coinbase ermöglicht den Handel mit mehr als 150 Token, darunter viele, die erst kürzlich hinzugekommen sind. Da die Plattform als größte Kryptobörse der USA gilt, erleben diese Coins oft einen Ansturm von Anlegern und einen Preisanstieg unmittelbar nach ihrer Aufnahme in den Handel. Nachdem Coinbase jahrelang bei der Notierung von Token eher vorsichtig vorgegangen war, beschloss das Unternehmen im vergangenen Jahr, die Dynamik zu erhöhen, um Marktanteile zurückzugewinnen, die sie an Konkurrenten wie Binance Holdings verloren hatte. Coinbase-Chefjurist Paul Grewal erklärte, die Plattform habe "Null Toleranz" für illegales Verhalten.

Beschwerde aus dem Markt über ungewöhnliche Investments
Die Staatsanwälte in Manhattan leiteten ihre Ermittlungen im April ein, nachdem in den sozialen Medien Beschwerden über ungewöhnlich gut abgestimmte Investitionen in Token aufgetaucht waren, die auf Coinbase gelistet waren. Mitte Mai untersagte die Behörde Wahi, das Land zu verlassen. Laut SEC ist der Fall der erste wegen Kryptoinsiderhandels. Sie fordert zivilrechtliche Strafzahlungen und die Rückerstattung noch nicht quantifizierter Beträge.

Diesen Mai machte ein Bericht des "Wall Street Journal" darauf aufmerksam, dass die Kryptowelt ein Insiderproblem hat. Betroffen sind alle großen Börsen. So sammelte laut "WSJ" im August eine einzelnes Kryptowallet an sechs Tagen Gnosis-Münzen im Wert von 360.000 US-Dollar. Am siebten Tag verkündete Binance, die volumenmäßig größte Kryptowährungsbörse der Welt, das Gnosis-Listing. Der Wert des Tokens vervielfachte sich dadurch. Nur wenige Minuten nach der Ankündigung begann der Walletbesitzer, seine Token wieder zu verkaufen. 

In seinem Bericht griff das "WSJ" auf Daten des Unternehmens Argus zurück, das 50 auffällige Wallets untersuchte. Bei diesen ausgewählten elektronischen Geldbörsen konnte Argus im Untersuchungszeitraum Februar 2021 bis April 2022 anhand von Blockchaindaten 1,7 Millionen Dollar an Gewinnen nachvollziehen. Die tatsächlichen Profite sollen deutlich höher gewesen sein, wie es heißt. (eml)