Die DWS hat mehrere Verfahren außergerichtlich beigelegt, in denen der Düsseldorfer Rechtsanwalt Jens Graf die jährlichen Fondsgebühren teilweise oder komplett erstattet haben wollte. Der Asset Manager zahlte das Vertriebsentgelt oder sogar die gesamte Pauschalvergütung nebst Zinsen zurück und sagte zudem zu, die Verfahrenskosten zu übernehmen.

Graf hatte in den vergangenen Jahren zahlreiche inhaltlich ähnlich gelagerte Verfahren gegen mehrere Kapitalverwaltungsgesellschaften angestrengt, unter anderem gegen Tochtergesellschaften der DWS Group. Ihm ist ein Dorn im Auge, dass Privatanlegern Fondsanteilsklassen empfohlen werden, die mit Vertriebsgebühren belastet sind, während institutionelle Investoren günstigere Tranchen zeichnen können. Einer dieser Fälle, in dem es um den DWS SDG Multi Asset Dynamic geht, landete im vergangenen Jahr tatsächlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

Kurz vor dem Verhandlungstermin zahlt der Anbieter
Die Bundesrichter setzten sich jedoch gar nicht erst inhaltlich näher mit Grafs Argumentation auseinander, denn für sie war die Kostenpauschale schlicht "intransparent" und daher "unwirksam" (Urteil vom 5. Oktober 2023, Az. III ZR 216/22). Damit verwies der BGH den Fall zurück an die Vorinstanz, das Landgericht Frankfurt am Main. Mehr als ein halbes Jahr nach dem BGH-Urteil hatte das Landgericht vor einigen Wochen nun einen Termin bestimmt. Die Verhandlung war auf den 10. Juni angesetzt worden. Die Vorsitzende Richterin durfte mit einem großen Interesse an ihrer Entscheidung rechnen: Andere Fondsanbieter hatten ähnliche Kostenklauseln verwendet, ihr Urteil wäre daher für die gesamte Branche relevant gewesen.

Doch kurz vor diesem Datum überwies die DWS die geforderte Summe, und zwar nicht nur für den DWS SDG Multi Asset Dynamic, sondern auch in zwei weiteren Fällen, die den DWS Concept DJE Alpha Renten Global und den Immobilienfonds Grundbesitz Europa betreffen. "Eine Erklärung für dieses Einlenken könnte die Sorge sein, dass sich Instanzgerichte künftig der Rechtsprechung des BGH auch in Endentscheidungen ausdrücklich anschließen", vermutet Graf.

"Ausdrücklich keine Anerkennung der Ansprüche"
Gibt die DWS tatsächlich klein bei – und gewissermaßen stillschweigend zu, dass Grafs Ansprüche gerechtfertigt sind? Das Unternehmen bestreitet das vehement. Ein Sprecher erläutert auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE vielmehr, die DWS lege Wert "auf ein effizientes und prozessökonomisches Vorgehen". Daher habe sich das Unternehmen dazu entschlossen, die im Wesentlichen immer gleichen Rechtsfragen in einem einzigen Verfahren klären zu lassen.

"Die anderen, ähnlich gelagerten Fälle haben wir außergerichtlich beigelegt. Damit ist ausdrücklich keine Anerkennung der vom Kläger behaupteten Ansprüche verbunden", betont der Sprecher. "Wir konzentrieren unsere Ressourcen lediglich auf dieses eine Verfahren." Für eine außergerichtliche Einigung sprach wohl auch, dass es um eher übersichtliche Forderungen ging – insgesamt summierten sich die Zahlungen auf einen vierstelligen Betrag.

Klage erfolgreich erweitert
Das eine Verfahren, das die DWS offenhält, findet nicht vor der Kammer statt, deren Urteil der BGH einkassierte, sondern vor einer anderen Kammer des Frankfurter Landgerichts. Hofft das Unternehmen womöglich, dass der dortige Richter einen frischen Blick auf den Fall wirft und den BGH-Entscheid mit größerem Abstand betrachtet, weil dieser ja nicht ein eigenes Urteil betraf? Dazu äußert sich die DWS nicht. Der Sprecher betont aber: "Wir unterstützen eine gerichtliche Klärung der Fragestellungen auch im Interesse unserer Anleger und sind zuversichtlich, dass die Gerichte letztlich unserer Rechtsauffassung folgen werden."

Bis es so weit ist, darf Graf sich zumindest vorerst bestätigt fühlen. In zwei Fällen, die den DWS SDG Multi Asset Dynamic und den Grundbesitz Europa betreffen, entschied sich der Anwalt übrigens kurzfristig dazu, die Steilvorlage des BGH zu nutzen. "Ursprünglich hatte ich nur das Vertriebsentgelt zurückgefordert. Nachdem der BGH nun aber die gesamte Kostenklausel als intransparent und damit unwirksam eingestuft hat, habe ich die Klagen auf die gesamten Kostenpauschalen erweitert", erläutert Graf im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE. "Auch diesen Betrag haben die Kapitalverwaltungsgesellschaften erstattet, noch bevor das Gericht überhaupt darüber entschieden hatte, ob es die Klageerweiterungen zulässt oder nicht."

Bafin aktualisiert ihre "Musterbausteine für Kostenklauseln"
Nicht nur die Fondsbranche selbst, auch die Finanzaufsicht beschäftigt sich mit dem von Graf initiierten BGH-Urteil. So legte die Bafin am 15. Mai die neueste Fassung ihrer "Musterbausteine für Kostenklauseln offener Publikumsinvestmentvermögen" vor. Dort wurden die sogenannten Bearbeiterhinweise "um die Grundsätze aus dem BGH-Urteil ergänzt", wie ein Sprecher der Bundesanstalt auf Anfrage der Redaktion mitteilt.

Dass die Bafin auf das BGH-Urteil reagiert, hält Graf schon deshalb für beachtlich, weil die Behörde wenige Absätze vor der neuen Passage betont, nur nach den Maßstäben des Aufsichtsrechts zu handeln. Weitere Prüfungen, zum Beispiel "im Hinblick auf die zivilrechtliche Wirksamkeit (…) bei der Verwendung der Klauseln, obliegen den verwendenden Gesellschaften", heißt es in den Bearbeiterhinweisen.

"Transparenz fortlaufend verbessern"
Die DWS hatte die Kostenklausel des DWS SDG Multi Asset Dynamic zuletzt im Januar deutlich umformuliert. Geschah auch das vor dem Hintergrund des BGH-Urteils? Konkret geht der Sprecher auf diese Frage nicht ein. Er teilt aber mit: "Der DWS ist eine transparente und verständliche Beschreibung ihrer Produkte sehr wichtig, um so Anlegern informierte und sachgerechte Anlageentscheidungen zu ermöglichen. Nicht zuletzt, um rechtlichen und regulatorischen Entwicklungen Rechnung zu tragen und die Transparenz fortlaufend zu verbessern, überprüft die DWS ihre Produktunterlagen regelmäßig." (bm)