Der Brief der Behörde war vernichtend, die Mängelliste lang. Von unzureichenden Kontrollen und mangelhaftem Risikomanagement war die Rede. Am Schluss verordnete die Bafin der Fintech-Bank Solaris, ihr Einlagengeschäft zurückzufahren – was ein schwerer Eingriff in das Geschäft gewesen wäre. Solaris, eine sogenannte White-Label-Bank, die mit ihrer Banklizenz und ihrer Bilanz Fintechs bestimmte Dienstleistungen ermöglicht, konnte die Maßnahme durch rechtzeitiges Gegensteuern abwehren. Doch die Berliner Firma steht mit ihrer Bafin-Erfahrung nicht allein: Die harte Gangart ist offenbar die neue Norm der Aufsichtsbehörde, die den skandalumwitterten Kollaps des Zahlungsdienstleisters Wirecard nicht verhindern konnte.

Branson "brachte viel Schwung in die Organisation"
Die Bafin hat unter ihrem neuen Präsidenten Mark Branson im vergangenen Jahr Sanktionen gegen rund ein Dutzend Zahlungsdienstleister und Fintechs verhängt. Die Einschränkungen waren teilweise gravierend und lasten auch auf den einst hochfliegenden Bewertungen, die Fintechs in privaten Finanzierungsrunden erreichen konnten. Branson versucht, die Prozesse bei der Aufsichtsbehörde zu beschleunigen und sie "mutiger" zu machen, wenn es darum geht, Probleme anzugehen, die sie bei einzelnen Firmen oder im Finanzsystem insgesamt erkennt. Einige Änderungen begannen bereits vor dem Wirecard-Skandal, doch der Brite mit Schweizer Pass "brachte viel Schwung in die Organisation", so Hilmar Zettler, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes deutscher Banken.

Für Branson ist die Kampagne, die in Europa ihresgleichen sucht, Teil der Imagekorrektur. Bei Wirecard lautete die Kritik an der Behörde – damals geführt von Felix Hufeld –, sie habe sich eher an Journalisten und Leerverkäufern abgearbeitet, als dem mutmaßlichen Betrug bei der inzwischen kollabierten Firma nachzugehen. Nun, da die Bafin eine härtere Gangart eingeschlagen hat, beklagen Fintech-Manager hinter vorgehaltener Hand, dass die Beamten immer noch nichts von ihrem Geschäft verstehen und mit ihrem Übereifer die aufstrebende Branche zu ersticken drohen.

"Mehr als nur Show"
"Meine jetzige Einschätzung ist, es ist mehr als nur Show", sagt Gerhard Schick, ein langjähriger grüner Bundestagsabgeordneter, der jetzt dem Verein Finanzwende vorsitzt, der sich als Gegen-Lobby zur Finanzindustrie sieht. "Eine wirkliche Bewertung der Kursveränderung bei der Bafin können wir erst in drei, vier Jahren vornehmen", so Schick. Ein Test wird sein, ob es der Bafin gelingt, einen weiteren großen Skandal zu verhindern.

"Unser Ansatz ist: gleiches Geschäft, gleiche Risiken, gleiche Regeln", sagte ein Bafin-Sprecher auf Anfrage. "Das lässt keinen Spielraum für eine mehr oder weniger strenge Aufsicht über ein bestimmtes Marktsegment. Und ein gutes Verständnis aller Geschäftsmodelle auf dem Finanzmarkt ist natürlich eine Grundvoraussetzung für unsere Aufsichtsarbeit." (mb/Bloomberg)