Seit Jahresbeginn 2023 gelten wirtschaftliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit riskanter Nuklearenergie oder klimaschädlichem fossilen Gas unter gewissen Bedingungen offiziell als "ökologisch nachhaltig" im Sinne der EU-Taxonomie-Verordnung. Das hat die Europäische Kommission in ihrem viel kritisierten delegierten Rechtsakt (EU) 2022/1214 vom 9. März 2022 festgelegt. Investitionen in diese Bereiche können somit als "grün" bezeichnet werden.

Es handle sich um ein "fatales Signal für den europäischen Finanzsektor", sagt Lisa Panhuber, Sprecherin von Greenpeace Österreich. Sie kündigt an, dass die Umweltschutzorganisation im April vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gegen die EU-Taxonomie klagen werde.

Verletzung der DNSH-Kriterien
Juristisch wird Greenpeace von der Fachspezialistin Roda Verheyen vertreten, die im delegierten Rechtsakt eine Reihe von Verfahrensfehlern und -mängeln sieht. So untergrabe die Förderung weiterer Atomkraftwerke direkt das in der Taxonomie festgeschriebene Grundprinzip "Do no significant harm" (Nicht wesentlich schädigen). Sie verweist in Unterlagen von Greenpeace auf die erheblichen Probleme für Mensch und Umwelt, die durch radioaktive Abfälle und bei Atomunfällen entstehen. Dazu komme das Risiko terroristischer oder militärischer Angriffe auf AKW.

Vorbereitet wurde der Antrag zur Klage vor dem EU-Gericht im Auftrag von Greenpeace Deutschland. Etliche weitere Einheiten schließen sich als Einreicher an: Frankreich, Spanien, Italien, Belgien, Luxemburg, Zentral- und Osteuropa (inkludiert Österreich) und die Greenpeace Europa Unit. Verheyen war bereits mitverantwortlich für die erfolgreiche Klage gegen das deutsche Klimaschutzgesetz 2019. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das Gesetz teilweise für verfassungswidrig.

Österreich klagt ebenfalls
Die Aufnahme von Atomkraft und fossilem Gas in die EU-Nachhaltigkeitstaxonomie hatte in zahlreichen Ländern für Diskussionen gesorgt. Im Oktober 2022 hat bereits die österreichische Bundesregierung Nichtigkeitsklage gegen den ergänzenden delegierten Rechtsakt beim Gericht der Europäischen Union eingebracht. Die EU-Kommission hätte nicht "eigenständig so weitreichende und politisch sensible Entscheidungen" treffen dürfen; sie habe ihre Kompetenzen überschritten, argumentiert das Umweltministerium in Wien unter Ministerin Leonore Gewessler.

Man lehne "eine Verwässerung der Taxonomie" ab. Durch die Taxonomie werde privates Kapital mobilisiert und gelenkt, so das Ministerium. Es handle sich um eine Orientierung für Investoren, Anleger und Unternehmen. Das Vertrauen dieser Akteure könne nur auf Basis wissenschaftsbasierter und glaubwürdiger Vorgaben erreicht werden. Mit einem Urteil vor dem europäischen Gericht rechnet Wien nicht vor kommendem Jahr.

Weitere Klage
Greenpeace und die österreichische Regierung sind nicht die einzigen, die juristisch gegen den delegierten Rechtsakt vorgehen. Der EU-Abgeordnete René Repasi von der deutschen SPD hat gegen das Urteil ebenfalls im Oktober vergangenen Jahres Klage eingereicht. Er argumentiert ähnlich wie das österreichische Umweltministerium und sieht angesichts der Tragweite die "demokratischen Vorrechte des Europäischen Parlaments" verletzt. (eml)