Noch ist sie verschlossen, die Tür zur schönen neuen Finanzwelt von morgen. Doch sollte sie sich eines Tages öffnen, würden sich für Anlageberater bei Banken, für Vermögensverwalter, freie Fondsvermittler und Financial Planner ungeahnte Möglichkeiten ergeben. 

Das Modell wäre so einfach: Möchte ein Finanzprofi prüfen, ob sich an den Einkommens- oder Vermögensverhältnissen eines Bestandskunden etwas verändert hat und daher vielleicht Beratungsbedarf besteht, ruft er in einer App dessen Daten auf. Dort sieht er dann – immer aktualisiert – sämtliche Wertpapierdepots, die der Kunde bei verschiedenen Banken hält, seine Versicherungen, alle Zahlungsströme, eventuelle Kredite und viele weitere Informationen. Hat der Kunde etwa kürzlich eine Gehaltserhöhung bekommen oder Vermögen geerbt, ist es Zeit, sich zu erkundigen, ob das zusätzliche Geld nicht gut angelegt werden soll. Sie wäre enorm praktisch, diese neue Offenheit.

Noch Zukunftsmusik
Im Moment ist eine App, die Finanzberatern, Vermögensverwaltern oder Financial Plannern jederzeit eine aktuelle Übersicht über die Daten ihrer Kunden bietet, noch Zukunftsmusik. Doch das Großprojekt Open Finance des europäischen Gesetzgebers soll schon bald den Weg in diese neue Welt ebnen. Im Juni vergangenen Jahres hat die EU-Kommission Vorschläge für ihre Open-Finance-Initiative präsentiert. Ein wichtiger Teil davon ist eine Verordnung, die künftig den Zugang zu Finanzdaten regeln wird. 

Das geplante Regelwerk mit Namen "Framework for Financial Data Access Regulation", kurz FIDA, sieht vor, dass Banken anderen Finanzdienstleistern nicht nur die Einsicht in die Zahlungsverkehrsdaten ihrer Kunden gewähren. Drittanbieter sollen auch alle Wertpapierdepots, Tages- und Festgeldkonten sowie Kredite – sprich: sämtliche Finanzdaten – sehen dürfen. Auch andere Unternehmen der Finanz- und Versicherungsbranche haben Dritten dann Einsicht in Kundendaten zu gewähren – natürlich nur sofern die Verbraucher ausdrücklich zustimmen. 

Extrem hohes Vertrauen
Doch wie stehen eigentlich diejenigen zu dem Vorhaben, denen die neue offene Finanzwelt ihre Arbeit erleichtern könnte? "Ich hoffe, dass Open Finance schnell kommt", sagt Michael Gschwind, zertifizierter Finanzplaner und Geschäftsführer des gleichnamigen Anbieters von Softwarelösungen für Financial Planner mit Sitz in Aachen. "Wenn wir eine echte Finanzanalyse erstellen wollen, dann ist das liquide Vermögen ein ganz entscheidender Punkt", berichtet Gschwind. Dieses sei aber am schwierigsten zu ermitteln. "Open Finance kann hier hervorragend unterstützen", sagt er.

"Natürlich muss der Kunde ein extrem hohes Vertrauen zu einem Finanzdienstleister haben, um ihm Einblick in all seine finanziellen Daten zu gewähren", so Gschwind. "Ich denke, hier haben Finanzplaner einen entscheidenden Vorteil, denn sie kennen sich nicht nur mit Wertpapieren aus, sondern beraten ganzheitlich und schauen sich ohnehin die gesamte finanzielle Situation an", erklärt er.

Saubere Daten
Für Benjamin Raasch, Portfoliomanager beim Münchner Vermögensverwalter Pegasos Capital, steht ein ganz anderer Aspekt im Vordergrund: die Standardisierung von Daten. "Man kann als Finanzinstitut die modernsten Tools einsetzen, ohne entsprechend saubere Daten bieten sie keinen Nutzen", sagt er. "Derzeit ist man hier an extrem teure Dienstleister gebunden", erklärt der Vermögensverwalter. Einheitliche Datenlieferungen der Depotbanken würden diesen Aufwand ersparen und Reportings deutlich günstiger gestalten. "Das wäre letztendlich auch zum Vorteil des Kunden", sagt Raasch. (am)


Einen ausführlichen Bericht über die Open-Finance-Initiative der EU-Kommission finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 1/2024 von FONDS professionell ab Seite 300. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.