Zu Zeiten der Niedrigzinsen waren Lebensversicherer daran interessiert, sich von Belastungen aus hohen Zinsversprechen zu trennen. Der externe Run-off von klassischen Lebensversicherungsbeständen war nur der radikalste von mehreren möglichen Schritten. Aber auch bei Fondspolicen, die in der Rentenphase in eine konventionelle Versicherung mit Verrentung im Deckungsstock eines Versicherers umgewandelt werden, versuchten einige Versicherer kostspielige Zusagen zu ändern – zum Missfallen von Verbraucherschützern.

So hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die Allianz verklagt, weil der Dax-Konzern bei einer Riester-Police den vertraglich vereinbarten Rentenfaktor und damit die Höhe der zu erwartenden Rentenzahlungen verringerte. Gestern (17.4.) fand die erste Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart statt. Offenbar kann es für Deutschlands Branchenprimus ungemütlich werden, wie das "Handelsblatt" meldet. Das Gericht habe sich tendenziell kritisch zu der entsprechenden Klausel in einer Riester-Police der Gesellschaft geäußert. Beide Seiten haben nun Gelegenheit, sich schriftlich zu erklären. Am 10. Juli soll das Urteil gefällt werden.

Zum Hintergrund: Rentenfakor
Bei Fondspolicen kann ein Versicherer für die Rentenphase keine feste Verzinsung garantieren, weil er nicht weiß, wie sich die gewählten Fonds entwickeln. Um Kunden zumindest eine gewisse Orientierung zu bieten, sagen viele Anbieter einen garantierten Rentenfaktor zu. Dieser Faktor ist eine Umwandlungsquote und gibt an, wie viel Euro Monatsrente ein Versicherter in der Auszahlungsphase für jeweils 10.000 Euro Fondsguthaben erhält. Allerdings ist dieser Faktor auch nur in wenigen Fällen wirklich fix und garantiert, die Versicherer bauen in Vertrags- oder Treuhänderklauseln vor, dass sie den Faktor unter bestimmten Umständen doch senken können (FONDS professionell berichtete; Anmeldung erforderlich) – genau das tat die Allianz.

Die Verbraucherzentrale hält die Treuhänderklausel aber für rechtswidrig. Zwar sei eine Kürzung der Rente aufsichtsrechtlich unter bestimmten Umständen zulässig, räumt sie gegenüber dem "Handelsblatt" ein. Allerdings benachteilige die Treuhänderklausel der Allianz die Versicherten, weil sie gegen das Äquivalenzprinzip verstoße: Der Versicherer räume sich zwar einseitig das Recht zur Rentenkürzung ein, ohne sich aber zugleich verbindlich zu verpflichten, die Rente zu erhöhen, wenn sich die Bedingungen wieder ändern.

Viele Rentenversicherungen betroffen
Das Urteil hat eine große Breitenwirkung. Es wird der Zeitung zufolge geschätzt, dass rund 700.000 Allianz-Riester-Policen davon betroffen sein können. Zudem ist die Allianz nicht der einzige Versicherer, der sich vor Gericht über Klauseln zur Anpassung von Rentenfaktoren streitet: Die Zurich hat gegen ein Urteil des Landgerichts Köln Berufung eingelegt. (jb)