Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, sieht dringenden Bedarf, die private Altersvorsorge zu reformieren. "Der Koalitionsvertrag bringt deutlich zum Ausdruck, dass wir auch im Bereich der privaten Altersvorsorge Reformen brauchen", erklärt der FDP-Politiker in einem Interview mit FONDS professionell. Dafür soll als Standardprodukt ein öffentlich verantworteter Fonds mit einer Opt-out-Möglichkeit für die Bürger geprüft werden. Wie dieses Produkt genau aussehen wird, steht noch nicht fest. "Dafür wird es einen Prozess geben, der aber noch festgelegt werden muss. Wir möchten zeitnah in die Prüfung gehen, im Moment ist es aber noch nicht so weit", sagt Toncar.

Ganz klar ist für ihn jedoch jetzt schon, dass das geplante Rentenprodukt das Geschäft von Finanz- und Versicherungsvermittlern nicht beschneiden wird. "Die Frage, ob ein staatlicher Fonds in der dritten Säule der Altersvorsorge private Produkte verdrängen oder möglicherweise sogar eine dominante Stellung auf dem Markt einnehmen würde, ist einer der wichtigsten Punkte, die wir prüfen müssen", so Toncar. Anleger hätten sehr unterschiedliche Präferenzen, was das Risiko, den Anlagehorizont und die Art von Finanzprodukten angeht. Daher ist es aus Toncars Sicht wichtig, dass Produktvielfalt und Wahlfreiheit erhalten bleiben. 

Womöglich andere regulatorische Bedingungen
"Daher sollte der Staat sich nicht in einen Verdrängungswettbewerb mit privaten Anbietern begeben", sagt der Parlamentarische Staatssekretär. "Man muss auch bedenken, dass für einen öffentlichen Fonds womöglich andere regulatorische Bedingungen und weniger Vorschriften gelten würden. Auch das ist ein relevanter Aspekt bei der Prüfung eines staatlichen Instruments. Wir wollen keine leistungsfähigen, funktionierenden Marktstrukturen aufs Spiel setzen", erklärt er.

Ein Ende der Riester-Rente sieht Toncar nicht unbedingt gekommen. Darüber wird immer wieder spekuliert, da im Koalitionsvertrag lediglich ein Bestandsschutz für entsprechende Verträge verankert ist. Dies bedeute aber nicht automatisch, dass keine neuen Produkte mehr angeboten werden dürfen. "Die Zukunft der Riester-Rente ist offen. Wenn es gelingt, Riester so zu reformieren, dass solche Verträge wieder eine breitere Marktabdeckung erzielen, ist das gut", erläutert Toncar. 

Riester reformieren, andere Produkte staatlich fördern – oder beides
Es gebe aber viel Handlungsbedarf, denn die Produkte seien teilweise zu komplex und zu teuer. "Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums hat sich in einer Stellungnahme dafür ausgesprochen, die vollständige Beitragsgarantie bei Riester-Verträgen zugunsten höherer Renditen abzuschaffen", so Toncar. Nach dem Koalitionsvertrag sei aber auch zu prüfen, ob man nicht andere Produkte für die Altersvorsorge staatlich förderfähig gestalten könnte. "Dafür müssten die Kriterien so angelegt werden, dass wir noch stärker die Bundesbürger erreichen, die eine Förderung brauchen und die bisher zu wenig für ihre Altersvorsorge tun", so Toncar. "Wir werden sehen, ob wir Riester reformieren, andere Produkte staatlich fördern – oder beides." 

Der Plan der alten Bundesregierung, Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis gemäß Paragraf 34f Gewerbeordnung (GewO) unter die Aufsicht der Behörde zu stellen, ist Toncar zufolge endgültig vom Tisch. "Das Bundesfinanzministerium will das ausdrücklich nicht, und auch ich persönlich halte dieses Vorhaben in der Sache für falsch", sagt er. Für die rund 39.000 Finanzanlagenvermittler, die in ganz Deutschland sehr breit verteilt sind, eine zentrale Aufsicht einzuführen, ist in seinen Augen nicht praktikabel. Es sei besser, wenn die Kontrolle weiterhin bei den Industrie- und Handelskammern sowie bei den Gewerbeämtern liegt. 

Bafin hat andere Aufgaben 
"Die Bafin soll sich nach dem Konzept, das wir aktuell verfolgen, ja gerade stärker mit großen Risiken beschäftigen, mit komplexen Geschäftsmodellen, die möglicherweise auch über Konzernstrukturen international verschachtelt sind", so Toncar. "Dort müssen Ressourcen eingesetzt werden, nicht in einer noch tiefergehenden, intensiven Kontrolle von Klein- oder Kleinstunternehmen in der breiten Fläche." (am)


Das vollständige Interview mit Florian Toncar finden Sie in der aktuellen Heftausgabe 3/2022 von FONDS professionell ab Seite 418. Angemeldete Nutzer können den Beitrag auch hier im E-Magazin lesen.