Steuer-Schule (2): Altbestände nicht voreilig verkaufen!
Das Investmentsteuerreformgesetz ist ein komplexes Regelwerk. FONDS professionell ONLINE erklärt in zwölf Folgen bis zum Jahresende die wichtigsten Punkte. Teil 2 erläutert, was bei Altbeständen zu beachten ist.
Steuerliche Regeln und Vorschriften sind für den Laien auf Anhieb meist nicht verständlich. Das gilt auch für die Änderungen, die das Investmentsteuerreformgesetz für Fondsanleger mit sich bringt. Daher erklärt FONDS professionell ONLINE das Gesetz in zwölf Teilen. In dieser zweiten Folge geht es um die Frage, was das neue Gesetz für alte Bestände vorsieht, für Fondsanteile also, die Anleger vor dem 1. Januar 2009 erworben haben.
Exakt dieser Punkt beunruhigt besonders viele Privatanleger, schließlich hatte der Gesetzgeber ihnen mit Inkrafttreten der Abgeltungsteuer Anfang 2009 für die Zukunft steuerfreie Veräußerungsgewinne zugesagt. Das Investmentsteuerreformgesetz macht mit dieser Steuerfreiheit zwar Schluss. Dafür räumt es Anlegern aber einen hohen Freibetrag von 100.000 Euro ein. Doch Achtung! Dieser kann nur genutzt werden, sofern die Altanteile nicht vor dem 1. Januar 2018 abgestoßen werden.
Kurzer Blick zurück
Um die aktuelle Sachlage genauer zu beleuchten, ist es notwendig, ein wenig in die Vergangenheit zu blicken. Bis Ende 2008 hatten Anleger die Möglichkeit, beim Verkauf von Fondsanteilen Kursgewinne steuerfrei zu vereinnahmen, sofern sie die Anteile während der zwölfmonatigen Spekulationsfrist gehalten hatten. Mit Einführung der Abgeltungsteuer traten zum 1. Januar 2009 neue Vorschriften in Kraft. Anlegern, die vor diesem Datum Fonds gekauft und bereits ein Jahr lang gehalten hatten, räumte der Gesetzgeber weiterhin Steuerfreiheit für Gewinne aus einer Veräußerung der Altbestände ein. Das Investmentsteuerreformgesetz kappt diese Steuerfreiheit.
Das hört sich zunächst bedrohlich an, ist jedoch relativ harmlos. Was mit Altbeständen zwischen dem 31. Dezember 2017 und einem späteren Verkauf, zum Beispiel im Jahr 2025, im Einzelnen geschieht, lässt sich Schritt für Schritt anhand eines Zahlenbeispiels verdeutlichen: Angenommen, ein Anleger hatte am 1. August 2007 genau 100 Anteile an einem Aktienfonds zu einem Preis von 100 Euro erworben, also 10.000 Euro bezahlt. Am 31. Dezember 2017 haben seine Altbestände beispielsweise einen Wert von 20.000 Euro.
Fiktiver Verkauf und Kauf der Altanteile
An diesem Tag nimmt die Depotbank automatisch einen fiktiven Verkauf und Kauf der Altbestände vor. Dadurch wird der bis dato erzielte Kursgewinn automatisch steuerfrei realisiert. Der neue Anschaffungswert wird für die Ermittlung eines künftigen – dann steuerpflichtigen – Veräußerungsgewinns im System hinterlegt.
Der Muster-Anleger im genannten Beispiel hat mit dem fiktiven Verkauf also 10.000 Euro erzielt, die er vereinnahmen darf, ohne dass Abgeltungsteuer fällig wird. Am 31. Oktober 2025 entschließt er sich dazu, diese Anteile zu veräußern, was ihm dank zwischenzeitlich weiterer Kursgewinne 25.000 Euro einbringt.
Nun geht es darum, die steuerliche Bemessungsgrundlage aus dem Verkauf zu ermitteln. Dafür werden zunächst die Anschaffungskosten zum 31. Dezember 2017 in Höhe von 20.000 Euro von den 25.000 Euro aus dem Veräußerungsgewinn abgezogen. Es verbleibt ein Veräußerungsgewinn von 5.000 Euro. Nach Abzug aller bereits gezahlten Vorabpauschalen (siehe Teil 4, "Basisertrag und Vorabpauschale") in Höhe von – angenommen – 800 Euro erhält der Anleger auf die übrigen 4.200 Euro noch eine steuerliche Teilfreistellung (siehe Teil 3, "Alles zur neuen Teilfreistellung") von 30 Prozent.
Steuer zurückholen
Es verbleiben 2.940 Euro, die der Anleger versteuern müsste. Aber: Der Gesetzgeber hat ihm für Veräußerungsgewinne aus Altbeständen einen Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro eingeräumt. Sofern dieser noch nicht verbraucht ist, führt er die Abgeltungsteuer inklusive Solidaritätszuschlag auf die 2.940 Euro zwar zunächst ans Finanzamt ab. Über seine Einkommensteuererklärung erhält die Summe aber rückerstattet.
Ganz wichtig: Den Freibetrag können Anleger nur nutzen, wenn sie ihre alten Fondsanteile vor dem 1. Januar 2018 nicht verkaufen. Nur dann können steuerpflichtige Veräußerungsgewinne künftig mit dem Freibetrag für ehemalige Altbestände verrechnet werden. Ein Verkauf vor diesem Datum kann also zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. (am)
Die zwölf Lektionen der "Investmentsteuer-Schule" von FONDS professionell:
- 25.09.2017 (Teil1): Hintergrund der Reform: Warum neue Steuerregeln?
- 02.10.2017 (Teil 2): Nicht voreilig verkaufen! Das gilt für Altbestände
- 09.10.2017 (Teil 3): Alles zur neuen Teilfreistellung
- 16.10.2017 (Teil 4): Basisertrag und Vorabpauschale
- 23.10.2017 (Teil 5): Thesaurieren oder ausschütten: Was ist künftig günstiger?
- 30.10.2017 (Teil 6): Welche Regeln gelten künftig für Dachfonds?
- 06.11.2017 (Teil 7): Fondspolicen: 15 Prozent auf alles
- 13.11.2017 (Teil 8): Was gilt ab 2018 für offene Immobilienfonds?
- 20.11.2017 (Teil 9): Die Regeln für steuerbefreite Anleger
- 27.11.2017 (Teil 10): Wie sich der Freibetrag optimal nutzen lässt
- 04.12.2017 (Teil 11): Zahlenspiele: Musterrechnungen zum besseren Verständnis
- 11.12.2017 (Teil 12): So reagieren die wichtigsten Fonds auf die neuen Regeln