Jüngst sorgte ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Hamburg für Aufsehen in der Branche: Demnach lässt sich eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) nutzen, um ein Multimillionenvermögen vom Vater auf den Sohn zu übertragen – ohne dass Schenkungsteuer anfällt. Die Fachanwältin für Steuerrecht Catarina Herbst, Partnerin bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars in Hamburg, erläutert im folgenden Gastbeitrag für FONDS professionell ONLINE die Hintergründe des Urteils. (bm)


Eine höchst interessante schenkungsteuerliche Gestaltungsmöglichkeit hat das FG Hamburg in seinem Urteil vom 11.7.2023 (3 K 188/21) aufgezeigt: Dem FG zufolge sind disquotale Einlagen in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) nicht schenkungsteuerbar, obwohl der Mitgesellschafter von der disquotalen Einlage des anderen Gesellschafters wirtschaftlich profitiert.

Im Urteilsfall war der Kläger als persönlich haftender Gesellschafter (phG) an einer KGaA beteiligt; Kommanditaktionär war der Vater des Klägers, der sämtliche Stückaktien der KGaA in Höhe von 50.000 Euro vollständig übernommen hatte. Der Kläger erbrachte als phG der KGaA eine nicht auf das Grundkapital zu leistende Vermögenseinlage in Höhe von 450.000 Euro. In der Folge legte der Vater einen Betrag in Höhe von 100 Millionen Euro in die ungebundene Kapitalrücklage (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) der Gesellschaft ein. Obwohl der Sohn von der Einlage des Vaters in Höhe von 90 Prozent profitiert, entschied das FG, dass diese Wertverschiebung von Vermögen auf den Sohn nicht der Schenkungsteuer, insbesondere nicht einer Besteuerung i.S.v. § 7 Abs. 8 ErbStG, unterliegt.

Hybrider Charakter der KGaA
Grund hierfür ist im Kern der hybride Charakter der KGaA zwischen Kapital- und Personengesellschaft: Die KGaA selbst ist eine Kapitalgesellschaft; der phG hält aber gerade keinen Anteil an einer Kapitalgesellschaft, da er nicht wie ein Kommanditaktionär Aktien gezeichnet hat. Da er keine Einlage auf das Grundkapital geleistet hat, steht ihm auch keine Beteiligung am Nennkapital der KGaA zu. Die schenkungsteuerliche Vorschrift des § 7 Abs. 8 ErbStG, welche disquotale Einlagen in eine Kapitalgesellschaft als fiktive Schenkungen bewertet und entsprechend einer Besteuerung unterwirft, greift daher nicht. Beim phG kommt es nicht zur "Werterhöhung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft", so dass der Tatbestand nicht erfüllt ist.

Überzeugend stellt das FG dar, dass der Wortlaut des Erbschaftsteuergesetzes, insbesondere die Regelungen zu den Betriebsvermögensbegünstigungen, klar zwischen der Beteiligung als phG und der Beteiligung als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft beziehungsweise als Kommanditaktionär unterscheidet. Der phG einer KGaA ist eben nicht Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, obwohl die KGaA selbst eine Kapitalgesellschaft darstellt. Damit verbietet es der Wortlaut des § 7 Abs. 8 ErbStG, Vermögensverschiebungen auf den phG unter diese Norm zu fassen und entsprechend einer Besteuerung mit Schenkungsteuer zu unterwerfen. Eine Auslegung des § 7 Abs. 8 ErbStG über den Wortlaut hinaus lehnt das FG ab.

Keine direkte Schenkung
Die Werterhöhung beim phG stellt auch keine direkte Schenkung nach § 7 Abs. 1 ErbStG dar. Die KGaA ist trotz ihrer hybriden Ausgestaltung ein eigenständiger Rechtsträger mit eigenem Vermögen, so dass die aufgrund der Einlage erfolgende Erhöhung des Beteiligungswertes nicht zu einer Vermögensverschiebung auf den phG führt. Aus demselben Grund scheidet auch ein steuerbarer Erwerb nach § 7 Abs. 6 ErbStG aus. Auch einen Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten sieht das Gericht nicht.

Das FG konstatiert insofern, dass eine Besteuerungslücke vorliegt, soweit der phG einer KGaA von disquotalen Einlagen anderer Gesellschafter in die KGaA profitiert. Es sei aber nicht Aufgabe des FG, derartige Besteuerungslücken zu schließen. Dem FG folgend besteht daher aktuell die Möglichkeit, Vermögen schenkungsteuerfrei durch Gestaltung über disquotale Einlagen in eine KGaA zu transferieren.

Jetzt ist der Bundesfinanzhof am Zug
Abzuwarten bleibt, ob der Bundesfinanzhof (BFH) sich der Rechtsauffassung des FG anschließen wird – Revision ist eingelegt (BFH II R 23/23). Das Ergebnis der Revision lässt sich schwer voraussagen: Das FG hat überzeugend die "Zwitterstellung" der KGaA zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft herausgearbeitet, aufgrund derer Einlagen in eine KGaA, die zu einer Vermögensverschiebung auf den phG führen, nicht vom Wortlaut der bestehenden schenkungsteuerlichen Vorschriften erfasst werden. Die Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes erfassen nur disquotale Einlagen in "typische" Personen- und Kapitalgesellschaften.

Dies widerspricht allerdings dem Willen des Gesetzgebers, der mit Einführung des § 7 Abs. 8 ErbStG (eingeführt durch das Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz v. 7.12.2011, BGBl. 2011 I, S. 2592) gerade sämtliche bestehenden Besteuerungslücken bei disquotalen Gesellschafterleistungen in Kapitalgesellschaften schließen wollte. Ob insofern die vom FG klar herausgearbeitete Besteuerungslücke auch aus Sicht des BFH besteht, bleibt abzuwarten. Setzt das Finanzamt Schenkungsteuer fest, wovon auszugehen sein dürfte, muss gegen einen entsprechenden Schenkungsteuerbescheid Einspruch eingelegt und unter Berufung auf das Revisionsverfahren beim BFH das Ruhen des Verfahrens beantragt werden.

Kleines Zeitfenster
Ein weiteres Spannungsfeld besteht mit Blick auf den Gesetzgeber – auch hier ist aktuell nicht absehbar, ob und wann dieser tätig werden wird. In jedem Fall dürfte das Zeitfenster klein sein, welches für Gestaltungen mit disquotalen Einlagen in eine KGaA genutzt werden kann.


Die promovierte Juristin Catarina C. Herbst ist seit 2015 Partnerin bei Mazars, wo sie am Standort Hamburg den Bereich Vermögens- und Unternehmensnachfolge betreut. Sie berät ihre Mandanten umfassend in allen Fragen der (steueroptimierten) Vermögensübergabe.