Im Dauerstreit um Negativzinsen auf Einlagen auf Giro- und Tagesgeldkonten hat das Landgericht Berlin ein überraschendes Urteil gefällt. Es hat der Sparda-Bank Berlin verboten, euphemistisch auch "Verwahrentgelt" genannte Strafzinsen zu verlangen. Das berichtet das "Handelsblatt". Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Das Geldinstitut hat bereits angekündigt, gegen das Urteil (Az. 16 O 43/21) Berufung einzulegen. Die Verbraucherschützer wiederum haben mitgeteilt, im Zweifelsfall bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ziehen zu wollen. 

Die Ankündigungen beider Seiten sind nachvollziehbar, schließlich steht für die Branche, aber auch ihre Kunden viel auf dem Spiel. Ein Verbot von Strafzinsen, die immer Gelhjäuser erheben, und möglicherweise die Rückzahlung bereits eingenommener "Guthabengebühren" wäre ein finanzieller Schlag ins Kontor für die Banken, die im Moment bereits mit den Folgen des bekannten BGH-Gebührenurteils beschäftigt sind. Einige wollen dies sogar per Gesetzesnovelle zurückdrehen. Nach Angaben des Internetportals Biallo erheben derzeit rund 520 Geldhäuser Negativzinsen in Höhe von 0,5 Prozent auf Tagesgeld- und Girokonten. Mindestens 150 beschränken den Freibetrag für die Gesamteinlage pro Kunde auf 50.000 Euro oder weniger. Die Sparda-Bank Berlin verlangt schon ab 25.000 Euro ein Verwahrentgelt. 

Gericht sieht Widerspruch gegen gesetzliche Leitlinien
Begründet wird die Notwendigkeit der Extra-Entgelte meist damit, dass Geschäftsbanken für Einlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) selbst einen Negativzins von 0,5 Prozent zahlen müssen. Von dieser Begründung hält das Landgericht Berlin offenbar nichts. Der Wirtschaftszeitung zufolge meinen die Richter, dass die Berechnung eines Verwahrentgelts bei Girokonten "mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren" sei. "Die Klausel benachteiligt den Verbraucher daher unangemessen", heiße es in dem Urteil. Auch Minuszinsen auf Tagesgeldkonten widersprächen den gesetzlichen Leitlinien. Die Sparda-Bank Berlin solle daher das Verwahrentgelt "auf eigene Kosten zurückzahlen".

Die Verbraucherschützer stimmen dem zu. Sie sind der Auffassung, dass Verwahrentgelte Giro- und Tagesgeldkonten grundsätzlich nicht erlaubt sein und argumentieren, dass das Verwahren von Einlagen auf dem Girokonto keine besondere Leistung sei, für die eine Bank ein Extra-Entgelt zusätzlich zu den ohnehin bereits erhobenen Kontoführungsgebühren verlangen darf. Ohne eine Einlagenverwahrung sei die Erbringung von Zahlungsdiensten für das Girokonto zudem gar nicht möglich, so das Handelsblatt. Im Fall von Tagesgeldkonten ist aus Sicht des VZBV die Bank der Darlehensnehmer und daher zur Zinszahlung verpflichtet – Entgelte widersprechen der Logik eines Kredites. Gleichlautend ist ihre Argumentation bei Sparbüchern. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat daher die Commerzbank verklagt.

Andere Gerichte standen auf Seiten der Kreditinstitute
Die Genossenschaftsbank und andere Institute sehen das anders. Sie betrachten laut dem Handelsblatt Girokonten in der Regel als "Typenmischverträge", bei denen sie auch ein Verwahrentgelt verlangen können. Ferner weist die Sparda-Bank darauf hin, dass das Urteil des Landgerichts Berlin von bisherigen Urteilen abweiche, welche Verwahrentgelte grundsätzlich zulassen. Das teilte sie dem Handelsblatt auf Anfrage mit.

Dazu gehört sicher ein Entscheid des Landgerichts Leipzig, das vor vier Monaten im Sinne der Sparkasse Vogtland geurteilt hatte und ein Verwahrentgelt für neu eröffnete Girokonten für zulässig hält (Az. 5 O 640/20). Es verwies unter anderem auf den unternehmerischen Aspekt: Zwar seien die Sparkassen gemeinwohlorientiert, sie müssten sich aber "auf der anderen Seite an Marktgegebenheiten ausrichten und wirtschaftlich agieren". Hier hatte die Verbraucherzentrale Sachsen geklagt und inzwischen Berufung beim Oberlandesgericht Dresden eingelegt. (jb)