Dass immer mehr Banken und Sparkassen von Privatleuten selbst bei überschaubaren Guthaben von 5.000 Euro aufwärts euphemistisch als "Verwahrentgelte" bezeichnete Extra-Gebühren verlangen, wird von vielen Kunden zähneknirschend in Kauf genommen. Dass solche Sonder-Entgelte vereinzelt aber auch auf das gute alte Sparbuch erhoben werden, erzürnt dann doch den einen oder die andere.

Die Verbraucherzentrale Hamburg (VZH) und die Commerzbank streiten seit Längerem wegen der Zulässigkeit von Negativzinsen auf Spareinlagen. Nun haben die Verbraucherschützer die Bank vor dem Landgericht Frankfurt am Main verklagt, wie unter anderem das "Handelsblatt“ berichtet. "Die Kunden und Kundinnen sollen nicht nur keine Zinsen mehr erhalten, sondern darüber hinaus auch noch für das von ihnen gewährte Darlehen zahlen. Durch diese Regelung wird der Zweck eines Sparvertrages ad absurdum geführt“, zitiert die Zeitung Expertin Sandra Klug von der VZH. Die zweitgrößte deutsche Geschäftsbank lehnte gegenüber dem Handelsblatt eine Stellungnahme ab.

Die Klage kommt nicht völlig überraschend: Die Commerzbank hat im Frühjahr begonnen, ab einem Freibetrag von 100.000 Euro pro Kunde insgesamt 0,5 Prozent Negativzinsen zu verlangen – und das ungewöhnlicherweise auf die individuelle Summe aller Guthaben, also Sparkonten eingerechnet. Die Targobank hat eine ähnliche Regel eingeführt. Mittlerweile hat die Commerzbank den Freibetrag sogar auf 50.000 Euro gesenkt. Die Regeln gelten bislang nur für Neukunden, Bestandskunden werden "individuell angesprochen", heißt es.

Wer Geld leiht, bekommt Zinsen – basta?
Diesen Schritt hält die VZH für rechtswidrig. Daher hatte sie die Commerzbank schon im Juli abgemahnt, die Bank hat darauf aber nicht reagiert. Aus Sicht der VZH dürfen Banken und Sparkassen generell keine Negativzinsen auf Sparkonten berechnen, weil die Institute bei einem Sparvertrag juristisch gesehen Darlehensnehmer sind. Der Kunde wiederum ist der Darlehensgeber und erhält für sein Geld Zinsen. Diese müssen daher stets positiv sein, denn Negativzinsen führen ein Sparkonto qua Funktion ad absurdum. 

Die Commerzbank hielt dagegen, dass Kunden mit ihrer Unterschrift unter die Verträge im Zweifelsfall auch einem Entgelt zur Verwahrung von Einlagen zustimmen – was auch auf Spareinlagen anwendbar sei. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) stuft die Rechtslage hier als unklar ein. Er verweist aber darauf, dass der Bundesgerichtshof (BGH) Spareinlagen mittlerweile "als unregelmäßige Verwahrung qualifiziere“. Nicht entschieden sei, ob er damit auch Negativzinsen auf Spareinlagen für zulässig erachtet. 

Steht BGH auf Seiten der Banken?
Ob der BGH hier wirklich auf Seiten der Banken steht, muss mit einem großen Fragezeichen versehen werden: Das oberste deutsche Gericht hat im April sein bekanntes Urteil zu unwirksamen Änderungen der Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Banken gesprochen. Diese hatten sich zuvor standardmäßig der sogenannten "Zustimmungsfiktion bedient: Wenn Kunden nicht ausdrücklich protestierten, gaben sie ihr Okay. Nun müssen sich die Geldinstitute bei AGB-Änderungen grünes Licht von Kunden geben lassen. 

Der Vorsitzende Richter des Bankensenats nannte bei der Urteilsverkündung begründende Beispiele, inwiefern die aktuelle Handhabung von AGB-Änderungen das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zum Nachteil der Verbraucher verschiebt. So könnten die Banken auf Grundlage der Formulierungen auch aus einem herkömmlichen Sparvertrag nach Belieben einen "schließfachähnlichen" Vertrag machen, für den Verbraucher plötzlich etwas zahlen müssen, statt Zinsen zu bekommen. Dies sei, lax ausgedrückt, aber nicht im Sinne des Erfinders. Es bleibt spannend. (jb/ps)