Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 27. April ein überraschendes Urteil (Az.: XI ZR 26/20) gefällt, das große Auswirkungen auf für den Bankensektor haben wird – auch, was die zunehmende Einführung von "Verwahrentgelten" oder "Einlagengebühren" betrifft, da die Geldhäuser diese nicht länger ohne Weiteres einfordern können.

Der oberste deutsche Gerichtshof hat einzelne Klauseln in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Banken für unwirksam erklärt. Diese legen fest, dass Kunden Änderungen der AGB immer dann zustimmen, wenn sie auf die Ankündigung dieser Änderungen nicht ausdrücklich und schriftlich reagieren – auch "stillschweigende Zustimmung" genannt. Aus Sicht des BGH sind derartige Klauseln aber zu weitreichend und benachteiligten die Kunden unangemessen, berichten übereinstimmend mehrere Medien.

BGH folgt Verbraucherschützern
Der Rechtsstreit, der mit einer Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen startete, dreht sich um konkret um die AGB der Postbank. "Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat." Dieser Satz steht laut N-TV im Kleingedruckten der Postbank zentral unter den "Grundregeln für die Beziehung zwischen Kunde und Bank" beim Punkt "Änderungen". Unter "Kosten" tauche er dann noch einmal bei der "Änderung von Entgelten bei typischerweise dauerhaft in Anspruch genommenen Leistungen" auf, also zum Beispiel der Konto- und Depotführung.

Die Verbraucherschützer argumentierten, dass derart umfangreiche Änderungsmöglichkeiten den gesamten Geschäftsbereich der Geldhäuser beträfen. Damit könnte das Vertragsgefüge nach Belieben und einseitig zugunsten der Bank verschoben werden. Dem stimmte der elfte Zivilsenat zu. "Für so weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können, ist vielmehr ein den Erfordernissen von Paragraf 305 Absatz 2, Paragraf 311 Absatz 1 und Paragrafen 145 (folgende) Bürgerliches Gesetzbuch genügender Änderungsvertrag notwendig", heißt es in einer Mitteilung des BGH.

Wer sich nicht wehrt, zahlt
Der Vorsitzende Richter nannte zwei Beispiele, inwiefern die aktuelle Handhabung von AGB-Änderungen das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zum Nachteil der Verbraucher verschiebt: So könnte eine Bank Neukunden etwa mit kostenlosen Depots anwerben und später mittels der Klauseln Gebühren einführen. Das komme aber einem neuen Vertrag gleich, so der Richter. Auf Grundlage der Formulierungen könnte die Bank auch aus einem Sparvertrag einen "schließfachähnlichen" Vertrag machen, für den Verbraucher plötzlich zahlen müssen statt Zinsen zu bekommen. 

Genau das machen bereits viele Geldinstitute, indem sie auf Giro- oder Tagesgeldkonten Verwahrentgelte zunehmend auch für Bestandskunden einführen oder die Freigrenzen, ab der die Extra-Gebühren zu entrichten sind, mitunter massiv senken. Altkunden der Düsseldorfer Sparda-Bank West müssen seit Anfang April beispielsweise bereits für Guthaben ab 25.000 Euro aufwärts auf dem Girokonto Strafgebühren von 0,5 Prozent zahlen. Selbst herkömmliche Sparbücher bieten Strafzinsflüchtlingen nicht länger verlässlichen Schutz.

Branche in Aufruhr
Vertreter der Bankenseite warnen nun vor einer "Katastrophe für alle Beteiligten": Die Institute würden im Massengeschäft Millionen von Verträgen abschließen, die daher rein aus Praktikabilitätsgründen gleich geregelt sein müssten. Ferner liefen sie meist über Jahrzehnte, sodass Änderungen unausweichlich seien, etwa infolge des technischen Fortschritts. Der Vertreter hatte an die Richter appelliert, "nicht päpstlicher als der Papst" zu sein. (jb)