Die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa hat erneut eine Konsultation zu der immens wichtigen Frage gestartet, wie sie komplexe beziehungsweise nicht-komplexe Versicherungsanlageprodukte definieren soll. Von den bis zum 28. April abzugebenden Antworten hängt ab, ob für den Vertrieb eines Produktes künftig eine Geeignetheitsprüfung nötig ist oder nicht. Das hat für Vermittler erhebliche Konsequenzen.

Die Definitionsvorschläge der Eiopa würden nach Meinung von Experten darauf hinauslaufen, dass die in Deutschland und Österreich erhältlichen Lebenspolicen einschließlich Produkten mit einer festen Garantieverzinsung als komplex gelten. Biometrische Produkte wie Risikolebensversicherungen würden dagegen unter die Rubrik "nicht komplex" fallen. Damit hätten Lebensversicherungsgesellschaften auf der Beratungsebene keinen Vorteil gegenüber Fonds, für die ebenfalls eine Geeignetheitserklärung nötig ist.

Eiopa-Vorschläge
Diese Einschätzung basiert unter anderem auf der Formulierung, dass ein Versicherungsanlageprodukt dann als komplex gilt, wenn der Versicherer das Auszahlungsprofil ändern kann: "(…) incorporates a clause, condition or trigger that allows the insurance undertaking to materially alter the nature, risk or pay out profile of the insurance based investment product", heißt es im englischsprachigen Text der Eiopa.

Eine andere mögliche Definition eines komplexen Produktes lautet, dass es einen "komplexen Auszahlungsmechanismus" habe. Dazu zählen laut Eiopa Policen, bei denen die zu erwartende Summe aus dem Vertrag bei Fälligkeit von Variablen abhängt, deren Auswirkungen vom Kunden nur schwer nachzuvollziehen seien ("the maturity or surrender value or pay out upon death is dependent on variables set by the insurance undertaking, the effects of which are difficult for the customer to understand"). Das trifft neben Fonds- oder Indexpolicen auch auf klassische Lebenspolicen zu, deren Überschusskalkulation im Grunde nur studierte Aktuare verstehen (interessierte Leser finden das vollständige Eiopa-Schreiben hier).

Letztes Wort haben die EU-Staaten
Die Konsultation basiert auf Artikel 30 der Anfang 2018 in Kraft tretenden europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD. Diese besagt, dass Versicherungsanlageprodukte, die "keine Struktur aufweisen, die es dem Kunden erschwert, die mit der Anlage einhergehenden Risiken zu verstehen" prinzipiell von einer Geeignetheitsprüfung vor dem Verkauf ausgenommen werden können. Die Eiopa versucht nun mithilfe der Branche zu definieren, was komplex ist und was nicht.

Die Ungewissheit der Branche ist aber auch mit einer Klärung der Definition durch die Eiopa noch nicht beendet. Kenner des Politikbetriebes in Brüssel weisen darauf hin, dass die Aufsicht nur Vorschläge macht, die Entscheidung aber der EU-Kommission obliegt. Außerdem kommt hinzu, dass das letzte Wort, ob für bestimmte Lebenspolicen die Geeignetheitsprüfung wegfallen könnte oder nicht, jedem EU-Mitgliedsstaat einzeln überlassen wird. (jb)