Wenn Vermittler geschlossene Fonds anpreisen, gehen ihre Hinweispflichten auf fehlende Angaben im Verkaufsprospekt mitunter sehr weit. Vor allem müssen sie dafür sorgen, dass Kunden alle Berichte der Fondsgesellschaft rechtzeitig erhalten – und für sich Nachweise darüber einholen und sammeln. Auf ein entsprechendes Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 12.Dezember 2017 (XI ZR 552/16) macht Rechtsanwalt Jens Reichow von der Kanzlei Jöhnke & Reichow  aufmerksam. (jb)


In dem zu beurteilenden Fall entschied sich der Anleger nach einem Beratungsgespräch mit einer Bank und im Anschluss an eine Informationsveranstaltung zu einer Unternehmensbeteiligung an einem Immobilienfonds. Zwischen den Parteien war in diesem Zusammenhang mit Aufnahme des Beratungsgesprächs ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen (siehe BGH-Urteil vom 12. Dezember 2017 – XI ZR 552/16 – und BGH-Urteil vom 6. Juli 1993 – XI ZR 12/93). Der Anleger erhielt dabei auch einen Verkaufsprospekt. Diesem war zu entnehmen, dass das Projekt eine vermietbare Gewerbefläche von 8.264 Quadratmetern vorsah. Aufgrund von Abweichungen im Baugenehmigungsverfahren wurde jedoch tatsächlich nur eine Gewerbefläche von 4.816 Quadratmetern realisiert. Über die Flächenabweichung wies die Fondsgesellschaft den Anleger durch Übersendung ihres Zwischenberichts 2008 hin. Schlussendlich meldetet die Projektgesellschaft, in die der Anleger investiert hatte, jedoch Insolvenz an. 2014 verklagte der Anleger die Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung.

Prospektbezogene Hinweispflichten
Der Anleger monierte die im Verkaufsprospekt fehlenden Hinweise auf die Gefahr von Abweichungen in der Bauausführung im Baugenehmigungsverfahren. Weist der Anlageberater im Beratungsgespräch nicht auf für ihn erkennbare Prospektmängel hin, ist er dem Anleger zum Schadensersatz verpflichtet (OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Januar 2014, 9 U 159/11). Die Bank hätte unter anderem auch auf eine fehlende Plausibilitätsprüfung des Verkaufsprospekts hinweisen müssen.

Hier entschied der BGH jedoch, dass die Bank ihre objektgerechte Beratungspflicht nicht verletzt hat. Prospektbezogene Hinweispflichten könnten nur bestehen, wenn sich der Anleger bereits mit dem Inhalt des Prospekts vertraut machen konnte. Dies wäre der Fall gewesen, wenn die Bank den Prospekt dem Anleger rechtzeitig genug vor der Zeichnung der Unternehmensbeteiligung übergeben hätte. Prospektbezogene Hinweispflichten bestünden auch, wenn die Bank den Anleger auf der Grundlage des Prospektes beraten hätte – siehe auch BGH-Urteil vom 17. Juli 2018, II ZR 13/17. Beides war hier nicht gegeben.

Aus Zwischenberichten einer Gesellschaft ist auf Beratungsfehler zu schließen
Hätten hier überhaupt prospektbezogene Hinweispflichten bestanden, so hätte der Anleger nach Ansicht des BGH jedoch bereits aus den Angaben im Zwischenbericht der Fondsgesellschaft im Jahr 2008 den Schluss ziehen müssen, dass eine Beratungspflichtverletzung der Bank vorlag. Denn mit Erhalt des Zwischenberichtes erfuhr der Anleger, dass die tatsächliche Bauausführung von den Angaben im Prospekt abwich. Hierdurch hätte der Anleger von einem unterlassenen Hinweis der Bank auf die Gefahr einer Flächenabweichung ausgehen müssen. Er hätte zudem auf eine fehlende Prüfung des Investments durch die Bank schließen müssen.

Der BGH urteilte mithin, dass ein Bankkunde aus Zwischenberichten einer Fondsgesellschaft auf vorangegangene Beratungsfehler der Bank während der Anlageberatung zu diesem Investment schließen kann.

Verjährung bei prospektbezogenen Hinweispflichtverletzungen
Da der Anleger bereits 2008 auf eine fehlerhafte Anlageberatung hätte schließen müssen, ist – so urteilte der BGH – zum Zeitpunkt der Klageerhebung 2014 bereits Verjährung seiner etwaigen Ansprüche eingetreten. Die Bank war berechtigt, die Schadensersatzleistung zu verweigern.

Schadensersatzansprüche wegen Vertragsverletzung eines Beratungsvertrages unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (BGH, 9. November 2007, V ZR 25/07). Für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist ist es nach Paragraf 199 Absatz 1 Nummer 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Anleger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erhält oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Von grob fahrlässiger Unkenntnis ist auszugehen, soweit naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden.

Vorliegend hätte der Anleger mit Erhalt des Zwischenberichts Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen (Paragraf 199 I Nr. 2 BGB) ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen. Er hatte naheliegende Überlegungen nicht angestellt. Mit Erhalt des Zwischenberichts begann die Verjährungsfrist zu laufen.

Fazit
Das Urteil zeigt, dass ein Kapitalanleger alle Schriftsätze genau lesen oder von einem Fachmann überprüfen lassen sollte. Ansonsten droht, dass er seine Schadensersatzansprüche wegen Verjährungseintritts nicht mehr geltend machen kann. Aus Sicht des Vermittlers ist es hingegen besonders wichtig, an Nachweise zu gelangen, dass der Anleger die vom Emittenten versendeten Zwischenberichte auch erhalten hat. Lassen Sie am besten Ihre Unterlagen von einem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht überprüfen.