Das Oberlandesgericht Celle hat ein für Handelsvertreter sehr positives Urteil gesprochen. Dieses regelt die Bewertung der "wesentlichen Erweiterung" neu. Das wird zu höheren Ausgleichsansprüchen führen, wie Tim Banerjee, Rechtsanwalt der Kanzlei Banerjee & Kollegen in Mönchengladbach, in einer Pressemitteilung ausführt.

Aber der Reihe nach: Immer wieder kommt es zu Streitigkeiten zwischen selbstständigen Handelsvertretern und ihren Gesellschaften. Vor allem dann, wenn der Vertrag zwischen den Parteien aufgelöst wurde und der Handelsvertreter nicht mehr von seinen Kundenbeziehungen in Form der Bestandsprovision profitiert. Das kann seine kaufmännische Basis akut gefährden, da diese Zahlungen wegfallen.

Streit über Höhe des Ausgleichs
"Eine wirtschaftliche Absicherung für Handelsvertreter nach Paragraf 84 Handelsgesetzbuch (HGB)  besteht in dem Instrument des Handelsvertreterausgleichs", erklärt der Jurist. Werde einem Handelsvertreter ohne eigenes Verschulden von der Gesellschaft gekündigt, stehe ihm ein Ausgleichsanspruch zu. Dieser soll den finanziellen Verlust durch den Wegfall der Bestandsprovisionen aus den selbst aufgebauten Kundenbeziehungen kompensieren. "Schließlich gehen diese an die Gesellschaft über, die davon weiter profitiert", so Banerjee.

Allerdings gebe es in der Praxis immer wieder Streit über die Höhe dieses Ausgleichs. Das Urteil  vom 16. Februar 2017 (Az. 11 U 88/16) könne sich insofern auf die bisherige Praxis auswirken, "als dass die Masse der Bestandsgeschäfte vergrößert wird, auf dessen Grundlage der Ausgleichsanspruch errechnet wird", wie es in der Mitteilung heißt.

Gericht erhöht Basis für Zahlungen
Im Gesetz heißt es nämlich: "Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht" (Paragraf 89b Absatz 1 S.2 HGB). Bislang sei diese Passage so ausgelegt worden, dass eine wesentliche Erweiterung nur dann vorliegt, wenn es zu einer Steigerung eines Kunden um mindestens 100 Prozent gekommen ist. Das Urteil hingegen erkennt eine wesentliche Erweiterung bereits ab einer Intensivierung um mehr als 50 Prozent an.

"Das wird zu höheren Ansprüchen für Handelsvertreter führen und stärkt die wirtschaftliche Sicherheit der Branche noch einmal. Außerdem schließt sich das OLG Celle mit dem Urteil nur der maßgeblichen Fachliteratur an, in der schon länger kritisiert wird, dass der Wortlaut des entsprechenden Paragrafen nicht richtlinienkonform sei. Es sei keine Umsatzverdoppelung zu verlangen, um den entsprechenden Kunden in die Ausgleichsberechnung einzubeziehen", kommentiert Tim Banerjee das Urteil. "Das Urteil wird für alle Handelsvertreter relevant, egal in welcher Branche sie unterwegs sind", ist sich der Jurist zudem sicher.

Im konkreten Fall hatte ein Handelsvertreter, der bestimmte Markenprodukte an Apotheken und Kosmetikinstitute vertrieb, einen Ausgleich auch für drei Kunden geltend gemacht, bei denen eine Umsatzsteigerung zwischen rund 58 Prozent und 76 Prozent vorlag. Das OLG Celle entschied, dass dem Handelsvertreter im Rahmen der Rohausgleichsberechnung auch für diese drei Kunden ein Ausgleich zustehe. (jb)