Ein Jahr ist es her, dass die EU-Kommission eine "Hochrangige Sachverständigengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen" einsetzte. Das Expertengremium sollte Empfehlungen ausarbeiten, wie der Finanzsektor dabei helfen kann, den Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft zu meistern. Basierend auf dem Abschlussbericht der Sachverständigengruppe hat die EU-Kommission nun einen Aktionsplan vorgelegt.

"Nur mit Hilfe des Finanzsektors können wir die jährlich notwendigen 180 Milliarden Euro aufbringen, die uns zur Erreichung unserer Klima- und Energieziele fehlen", sagte Valdis Dombrovskis, der für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion zuständige Vizepräsident der Kommission. Der Aktionsplan soll am 22. März vom Europäischen Rat, also den Staats- und Regierungschefs, bestätigt werden.

EU-Siegel für "grüne" Finanzprodukte geplant
Zu den Kernpunkten gehört, eine "gemeinsame Sprache für das nachhaltige Finanzwesen" zu finden, also ein einheitliches EU-Klassifikationssystem. "Hierin werden der Begriff der Nachhaltigkeit festgelegt und die Bereiche genannt, in denen nachhaltige Investitionen größtmögliche Wirkung entfalten können", teilt die Kommission mit. Darauf basierend soll ein EU-Kennzeichen für "grüne" Finanzprodukte entstehen.

Brüssel möchte außerdem diskutieren, ob Vermögensverwalter und institutionelle Investoren dazu verpflichtet werden sollen, bei ihren Anlageentscheidungen Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen und dies entsprechend offenzulegen. Versicherer und Wertpapierfirmen sollen ihre Kunden künftig außerdem "entsprechend ihren Nachhaltigkeitspräferenzen beraten".

Damit nicht genug: Nachhaltigkeitskriterien sollen auch in der Bankaufsicht eine Rolle spielen. Die Kommission erwägt beispielsweise, dass die Institute für Kredite für nachhaltige Investitionen weniger Kapital vorhalten müssen – allerdings nur, "sofern dies aus der Risikoperspektive gerechtfertigt ist".

"Anleger müssen weiter frei entscheiden dürfen"
"Viele der Vorschläge im Aktionsplan finden unsere volle Unterstützung, etwa die Schaffung eines ESG-Kriterienkatalogs oder die Integration dieser Kriterien in Ratings und Research", sagt Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI. "Ebenso begrüßen wir die Idee, mehr Transparenz darüber zu schaffen, wie Unternehmen über Nachhaltigkeitskriterien berichten."

An einigen Punkten übt der BVI jedoch Kritik. ESG-Vorgaben für Anlagestrategien dürften nicht regulatorisch verankert werden. "Die Anleger müssen weiter frei entscheiden dürfen, ob und inwieweit sie Nachhaltigkeitsaspekte in ihren Anlagen berücksichtigen", betont der Verband.

"Risiken nicht übersehen"
Überwiegend positiv äußerten sich auch Vertreter der Kreditwirtschaft. "Banken haben in den letzten Jahren viele Initiativen ergriffen, um das Thema Nachhaltigkeit zu fördern und zu verankern", sagte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Durch die Sustainable-Finance-Agenda ergebe sich nun die Möglichkeit, innovative und nachhaltige Produkte zu entwickeln. Allerdings fehle es bisher häufig an klaren Definitionen. Es sei daher richtig, dass die Kommission diesen Punkt ganz oben auf die Agenda setze.

Die möglichen Risiken nachhaltiger Finanzierungen dürften jedoch nicht übersehen werden, betonte Ossig. "Deshalb brauchen wir zwingend empirische Analysen, bevor zum Beispiel ein 'Grüner Faktor' bei den Eigenkapitalvorschriften überhaupt in Erwägung gezogen wird."

"Einen großen Schritt vorangekommen"
"Auf dem Weg zu einer nachhaltig ausgerichteten Finanzwirtschaft ist Europa einen großen Schritt vorangekommen", sagte Nathan Fabian, Leiter der Abteilung Strategie und Research der Investoreninitiative "Principles for Responsible Investment" (PRI), der sich rund 1.800 Großanleger und Asset Manager angeschlossen haben. "Mit dem Aktionsplan wird die dringend benötigte umfassende und verbindliche Grundlage dafür geschaffen, dass die Finanzwirtschaft ihren Beitrag zum nachhaltig geprägten Umbau der Wirtschaft leisten kann." (bm)