Im Zuge der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals kommen viele ungeheuerliche Vorgänge bei den Kontrollinstanzen des Zahlungsdienstleisters ans Licht. Dazu zählen das Verhalten der Finanzaufsicht Bafin, welcher die EU-Finanzaufsicht ESMA etliche Defizite und Versäumnisse vorwirft: Unter anderem hat eine Reihe von Mitarbeitern der Bafin mit Wirecard-Aktien gehandelt. Oder dass die Wirecard-Wirtschaftsprüfer Ernst & Young (EY) der Gesellschaft jahrelang trotz Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten das Testat verliehen. 

Bei einer Anhörung vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss im Bundestag kam nun heraus, dass auch Ralf Bose, Chef der Abschlussprüferaufsichtskommission Apas, mit Aktien von Wirecard gehandelt hat. Berichten verschiedener Medien zufolge hat Bose am 28. April 2020 Wirecard-Aktien gekauft. Ausgerechnet an jenem Tag, an dem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ihren Sonderbericht veröffentlichte, welcher die Missstände bei Wirecard offenlegte. Bose verkaufte die Anteilscheine dann laut seiner Aussagen im Untersuchungsausschuss am 20. Mai wieder – mit Verlust. In der Zwischenzeit hatte die Apas ein formelles Berufsaufsichtsverfahren gegen EY eingeleitet. 

Abgeordnete fordern Boses Rücktritt
Als Reaktion auf diese Enthüllung fordern zahlreiche im Untersuchungsausschuss vertretene Bundestagsabgeordnete den Rücktritt Boses, wie die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) berichtet. "Es kann nicht angehen, dass der Präsident der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas mit Aktien eines Unternehmens handelt, das mittelbar Gegenstand einer Überprüfung ist", zitiert die SZ etwa den CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach, den stellvertretenden Vorsitzenden des Wirecard-Ausschusses. Das verstoße gegen sämtliche Compliance-Regeln. Michelbach fordert laut SZ auch zu prüfen, was zwischen Bose und Bafin-Präsidenten Hufeld genau an dem Tag am Telefon besprochen wurde, an dem Bose seine Wirecard-Aktien wieder verkaufte.

Das Verhalten Boses ist umso fragwürdiger, als der Untersuchungsausschuss ferner zutage förderte, dass die Führungsspitze der Apas bereits im Februar 2019 über mögliche Missstände bei Wirecard informiert wurde. Aber erst im Oktober 2019 begann die Wirtschaftsprüfer-Aufsicht mit Vorermittlungen gegen EY, die im Mai des laufenden Jahres in ein Berufsaufsichtsverfahren mündeten. Der Grund für das Verhalten der Wirtschaftsprüfer-Aufsicht, so die SZ: Ihr begrenzter Auftrag und Befugnisse. Zudem verwies ein Apas-Mitarbeiter vor dem Bundestagsausschuss auch auf das Leerverkaufsverbot, das die Bafin einige Tage später erlies. Mit anderen Worten: Jeder zeige auf den anderen und wolle nicht verantwortlich sein, so das Fazit der Zeitung. (jb)