Diese Regelung passt längst nicht mehr in die Zeit, dennoch bleibt es dabei: Der Rechnungszins, den der Fiskus etwa auf Steuernachforderungen erhebt, wird sich weiterhin konstant auf jährlich sechs Prozent belaufen. Mit diesem Satz müssen Unternehmen steuerechtlich auch Pensionsrückstellungen für ihre Mitarbeiter abzinsen. Trotz des dauerhaften Niedrigzinsniveaus wird der Satz vorerst nicht nach unten angepasst.

Auch in der andauernden Tiefzinsphase ist die Sechs-Prozent-Regelung verfassungskonform. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem am Dienstag veröffentlichten, mit Spannung erwarteten Grundsatzurteil (Az.: III R 10/16) entschieden, wie diverse Medien berichten. Das höchste deutsche Finanzgericht erkennt in dem aus der Zeit gefallenen Zinssatz weder einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen die Verhältnismäßigkeit. Mit ihrem Urteil beenden die Richter einen Rechsstreit, der sich seit 2013 hingezogen hatte.

Andere Sichtweise
Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) sieht die Sache hingegen ganz anders. In einem Positionspapier fordert das IDW eine marktgerechte Verzinsung. Dies berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ). "Das Steuerrecht hat jeden Bezug zu den aktuellen Marktzinsen verloren", erklärte IDW-Vorstandssprecher Klaus-Peter Naumann im Gespräch mit der Zeitung.

Von der geltenden Rechtslage profitiere in erster Linie die öffentliche Hand zu Lasten der Steuerpflichtigen. Bei Steuernachforderungen, Stundungen, hinterzogenen Steuern oder in Prozessfällen mit Aussetzung der Vollziehung betragen die Zinsen 0,5 Prozent je Monat, also sechs Prozent im Jahr. Dieser Satz stamme allerdings aus dem Jahr 1961, als der Geldmarktzins zwischen 4,5 und fünf Prozent lag, gab Naumann der FAZ zufolge zu bedenken. Seit einigen Jahre bewege er sich aber nahe null.

Marktferne Bewertung
Wenn die Verzinsungszeiträume infolge von Nachzahlungen aufgrund von Betriebsprüfungen länger würden, wirke sich die Sechs-Prozent-Regelung besonders stark aus. "Mit Zinsen auf Steuern nimmt der Fiskus in Betriebsprüfungen etwa ebenso viel ein wie mit Mehrergebnissen aus Einkommen- und Körperschaftsteuer", zitiert die FAZ eine Passage aus einer aktuellen Analyse des Verbandes. Marktfern sei auch die daran festgemachte Bewertung von Pensionsrückstellungen im Steuerecht.

Die steuerliche Benachteiligung von Unternehmen, die Pensionszusagen geben, sei unvereinbar mit der Forderung der Politik, die betriebliche Altersvorsorge zu stärken, erklärte Naumann im Gespräch mit der FAZ. Eine einheitliche Abzinsung von Pensionsrückstellungen mit vier Prozent bis 4,5 Prozent in der Handelsbilanz und im Steuerrecht würde die steuerliche Benachteiligung der betrieblichen Altersversorgung vermeiden. Zudem würde eine solche Regelung weniger Bürokratie für die Unternehmen und den Fiskus bedeuten. Für den Zins auf Steuernachforderungen schlägt das IDW 3,5 Prozent bis 4,5 Prozent vor. 

Der aktuelle BFH-Entscheid hat allerdings auch sein Gutes. Da die Sechs-Prozent-Regelung nicht als verfassungswidrig einzustufen ist, können findige Steuerzahler in bestimmten Fällen weiterhin eine "Superrendite von Vater Staat" erhalten. Der Grund: Deutschlands Finanzämter verzinsen verspätete Steuerrückerstattungen ebenfalls mit monatlich 0,5 Prozent. Unter bestimmten Voraussetzungen, etwa der fehlenden Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung, können sich abhängig Beschäftigte dies gezielt zunutze machen. Wer berechtigte Hoffnungen auf eine Rückerstattung hegte, braucht sich bloß die erlaubten vier Jahre Zeit mit seiner freiwilligen Erklärung Zeit zu lassen, um eine Rendite von stolzen 4,3 Prozent pro Jahr einzustreichen.

Urteil des Bundesverfassungsgericht steht noch aus
Darüber, ob der Rechnungszins von sechs Prozent nicht doch noch gekippt wird, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Das Urteil des BFH treffe schließlich nur das Jahr 2013, schreibt die FAZ. Zwar seien die grundsätzlichen Erwägungen vermutlich auch auf andere Zeiträume übertragbar. Über den Zinssatz werde in nahe Zukunft aber auch das Bundesverfassungsgericht entscheiden. (am)