Der Bundesfinanzhof (BFH) wird am kommenden Mittwoch (19.5.) ein spannendes Streitthema von gesamtgesellschaftlicher Tragweite behandeln: Die Frage, ob der Staat derzeit die Ruhegelder von Angestellten doppelt besteuert oder nicht. Konkret geht es um die Klagen zweier Rentner gegen ihre Steuerbescheide. Die beiden Fälle haben wenig gemeinsam – mit Ausnahme des Vorwurfs, dass die Besteuerung der Altersbezüge rechtswidrig sei, wie verschiedene Medien, darunter die Wirtschaftswoche (Wiwo), berichten.

Das Problem der möglichen Doppelbesteuerung ist nicht neu. Dessen Ursprung liegt knapp 20 Jahre zurück. 2002 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Besteuerungspraktiken von Beamtenpensionen und Angestellten-Renten ungleich und verfassungswidrig seien. Angestellte wurden damals vorgelagert besteuert, heißt: Der Fiskus hielt bei den Einzahlungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in die Rentenkasse die Hand auf. Als Ausgleich mussten sie nach dem damaligen System später keine Steuern mehr auf ihre Renten zahlen. Beamte dagegen zahlten und zahlen immer noch zu Erwerbszeiten keine Steuern auf ihre Vorsorgelrücklagen. Dafür greift das Finanzamt bei ihren Pensionen zu. Mit dieser nachgelagerten Regelung waren Beamte bessergestellt, weil Menschen zu Zeiten ihres Erwerbslebens meistens einen höheren Steuersatz haben als später als Ruheständler.

Volle Besteuerung ab 2040
Daher hat die Bundesregierung ab 2005 das System der Rentenbesteuerung für Angestellte stufenweise umgestellt. Beiträge zur Altersvorsorge werden seitdem schrittweise von der Steuer befreit, ab 2025 sind sie vollständig frei. Auf der anderen Seite steigen die Abgaben auf die Renten, von 2005 bis 2020 um zwei Prozentpunkte jährlich, mittlerweile um einen Prozentpunkt. Ab 2040 werden Rentenbezüge dann voll versteuert. Wer also in 19 Jahren in den Ruhestand geht, muss Abgaben auf den Gesamtbetrag der Altersbezüge entrichten. Wichtig: Die Umstellung der Steuern betrifft aber nicht nur die gesetzliche Rente, sondern auch die sogenannte "Basisvorsorge". Dazu zählen auch Einzahlungen bei berufsständischen Vorsorgewerken wie etwa für Ärzte und Rechtsanwälte, und auch Rürup-Renten. 

Strittig ist der Wiwo zufolge nun die Art und Weise, wie die damalige Bundesregierung 2005 die auf 35 Jahre angelegte Übergangsphase geregelt hat. Das dazu ersonnene Regelwerk führt nämlich unter Umständen zu einer Doppelbesteuerung: Dass also beim einzelnen Steuerzahler die Summe seiner steuerfreien Rentenbezüge geringer als die Summe seiner Beitragszahlungen ist, die er aus versteuertem Einkommen leistete. Die Kardinalfrage ist nun: Wie wird das ermittelt? Das muss der BFH übermorgen klären.

Hat der Gesetzgeber korrekt umgestellt?
"Es geht bei den Musterklagen nicht darum, dass Rentner keine Steuern mehr zahlen müssen, es geht auch nicht um die nachgelagerte Besteuerung als solche", zitiert die Wiwo Isabel Klocke, die Leiterin der Steuerrechtsabteilung bei Bund der Steuerzahler. "Es geht nur um die Frage, ob der Gesetzgeber die Umstellung vom neuen aufs alte System richtig übersetzt hat. Ich gehe davon aus, dass an bestimmten Parametern der Berechnungsweise nachjustiert wird."

Das könnte erhebliche Auswirkungen sowohl für viele Rentner in Deutschland als auch die Finanzämter haben. Zudem geht es in den beiden Verfahren um komplizierte Zusatzaspekte: Etwa, ob Grundfreibeträge oder Sonderausgabenabzüge für die aus der Rente zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge berücksichtigt werden müssen oder nicht. (jb)