Die zunehmende Digitalisierung wird Vermögensberater in Bedrängnis bringen, meint Martin Gilbert, Vorstandschef von Aberdeen Asset Management. "Vermögensberater müssen diese Entwicklung fürchten", sagt Gilbert im Interview mit FONDS professionell. Berater müssten sich sehr genau überlegen wie sie vorgehen, wenn das Vermögen von der jetzigen Generation auf die Kinder wechsle, die wesentlich offener für eine Online-Vermögensberatung seien. "Ein Berater darf nicht darauf hoffen, dass ihm die Kinder die Treue halten, bloß weil er die Eltern gut betreut hat", so Gilbert in der neuen Printausgabe 4/2015 von FONDS professionell, die Ende November erscheint.

Professionelle Paranoia
Auch für die Asset Manager sind Fintechs laut Gilbert eine potenzielle Gefahr. "Theoretisch könnte dieser Tech-Advisor-Trend uns zum Verhängnis werden. Darauf sollte man besser vorbereitet sein", warnt Gilbert. Noch hätten die neuen Spieler am Markt aber nicht viel Geld eingesammelt. Zudem würden die großen Fondsanbieter Ideen aus der Robo-Advisor-Szene aufgreifen und ins eigene Geschäftsmodell übernehmen. "Wir müssen einfach bereit sein, wenn sich ein Wandel vollzieht", sagt der Co-Gründer von Aberdeen. "Ich werde dafür bezahlt, dass ich Paranoia habe – Paranoia über die Gefahren, die unser Geschäft bedrohen könnten."

Asiencrash beschleunigt Mittelabflüsse
Aberdeen hatte das Fintech "Parmenion Capital Partners" übernommen. Die Gesellschaft bietet freien Vermögensberatern Techniken aus dem Robo-Advice als Hilfsmittel in Kundengesprächen. Das schottisch-englische Fondshaus hatte auch um eine Beteiligung am Fintech "Nutmeg" geboten, das Robo-Advice für Endkunden anbietet. Hier war Konkurrent Schroders zum Zuge gekommen.

Aberdeen war mit dem Crash an den asiatischen Börsen zusätzlich in Bedrängnis geraten. Die Fondsgesellschaft ringt bereits seit einiger Zeit mit Mittelabflüssen. "Ja, wir haben hohe Mittelabflüsse erlitten. Das ist aber Teil des Geschäfts", sagt der Aberdeen-Chef. Langfristig würden aber China und die ganze Region Asien weiter wachsen. Gilbert will Fonds auch in China selbst verkaufen. Dazu sei in der Volksrepublik bereits eine Tochter gegründet worden. Zudem wolle man sich mit einem dort heimischen Vertriebspartner zusammenschließen.

Weitere Zukäufe denkbar
Gilbert will zudem aber den Asien-Schwerpunkt des Hauses Richtung Mischfonds und alternative Strategien verschieben. So hatte das Haus mit Sitzen in London und der namensgebenden Stadt Aberdeen das Investmenthaus Scottish Widows Investment Partnership übernommen. Zuletzt kamen die Private-Equity- und Hedgefondshäuser Flag Capital und Arden hinzu. "Das ist ein Weg zu einer besseren Diversifikation", so der in Malaysia geborene Manager. "Vielleicht hätten wir uns noch etwas mehr diversifizieren sollen."

Gilbert schließt im Interview weitere Übernahmen nicht aus: "Ein Zukauf im Bereich Mischfonds oder alternative Strategien wäre denkbar."  Im Aktienbereich habe das Haus hingegen Überkapazitäten. Aberdeen hatte jüngst angekündigt, dass einige Stellen wegfallen sollen. Details werden aber erst zur Bekanntgabe der Jahreszahlen Ende November mitgeteilt. Verkaufsgerüchte, die Zeitweise aufgekommen waren, dementiert Gilbert. "Wir haben niemals jemanden angesprochen", so der studierte Jurist und Finanzfachmann. "In meinen 32 Jahren hier habe ich es schätzen gelernt, ein unabhängiges Haus zu leiten."

Kostentransparenz ist klares Muss
Schließlich plädiert der Aberdeen-Manager für mehr Transparenz bei den Fondskosten. "Ich gebe lieber zu viel als zu wenig Informationen", so Gilbert. Er fordert eine Gesamtkostenquote, die alle tatsächlich anfallenden Aufwendungen ausweise. Damit stellte er sich hinter die Forderungen des ehemaligen Chefs des britischen Fondsverbandes David Godfrey. Dieser war kürzlich auf Druck einiger Mitglieder der Investment Association zurückgetreten. Godrey hatte eine Transparenzoffensive gestartet. "Ich stehe voll hinter dem, was er angestrebt hat", sagt Gilbert nun im Interview. "Das Problem war nur, dass er die Verbandsmitglieder nicht mitgenommen hat." (ert)