Die Meldung hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet: Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat einen Gesetzentwurf vorbereitet, nach dem die meisten deutschen Versicherer ab 2016 keine gesetzliche Vorgabe mehr haben, bei Lebenspolicen einen Garantiezins anzubieten. Hintergrund des Vorstoßes ist eine Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) im Zusammenhang mit der Einführung der europäischen Solvency II-Richtlinie. Branchen- und Verbraucherverbände haben auf den Entwurf durchaus unterschiedlich reagiert.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht die Pläne des Bundesfinanzministeriums kritisch. "Zur Gewährleistung langlaufender Lebensversicherungsprodukte mit Zinsgarantien, die nicht gegen Zinsänderungsrisiken abgesichert sind, ist auch in Zukunft eine Vorgabe für den höchstzulässigen Rechnungszins nötig", kommentiert Peter Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des GDV. Gleichzeitig weist Schwark darauf hin, dass die Lebensversicherer für Neuverträge auch weiterhin garantierte Leistungen zusichern können – Altverträge sind von der möglichen Regelung nicht betroffen. Die Garantie könne sich jedoch von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden. Bislang habe der Garantiezins eine kalkulatorische Obergrenze definiert, aus der die Unternehmen ihre Leistungszusagen abgeleitet haben. Diese einheitliche Obergrenze könnte nun entfallen, so der GDV.

BVK ist skeptisch
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) steht den Plänen des BMF ebenfalls skeptisch gegenüber. "Die Lebensversicherung bildet einen wichtigen Baustein in der privaten Altersvorsorge und auf ihre Garantieversprechen vertrauen Millionen von Kunden", sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz. "Obwohl Altverträge, die bis Ende 2015 abgeschlossen wurden, von der Abschaffung des Garantiezinses nicht betroffen wären, würde der Einschnitt die Attraktivität dieses wichtigen Altersvorsorgeprodukts schmälern. Das ist kein gutes Signal." Die Abschaffung des Garantiezinses schafft aus Sicht des BVK daher Unsicherheit auf Seiten der Altersvorsorgesparer. Hinzu komme, dass Versicherer geneigt sein könnten, die Lebensversicherungen noch geringer zu verzinsen, als mit dem jetzt gültigen Garantiezins von 1,25 Prozent.

Aktuare fordern Anpassung
Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) begrüßte in einer Stellungnahme zwar "ausdrücklich", dass das BMF eine Neugestaltung der bisherigen Regelungen zum Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung anstrebe. Den Garantiezins möchte der Verband aber nicht abschaffen. Die Versicherungsmathematiker argumentieren, dass bei klassischen Lebensversicherungsprodukten eine Absicherung langfristiger Zinsrisiken über den Kapitalmarkt nicht möglich sei. Daher schlägt die DAV ein zweistufiges Vorgehen vor: In den ersten 15 Jahren soll der Höchstrechnungszins ein fester Zinssatz sein, der sich am Kapitalmarkt orientiert. In der Zeit danach ein vorsichtigerer Wert, der der langfristigen volkswirtschaftlichen Erwartung mit einem Sicherheitsabschlag folgt und ebenfalls bereits anfänglich festgelegt wird. So könnten der DAV zufolge auch weiterhin fest garantierte Zinsen in marktangemessener Höhe die Basis für eine erfolgreiche Altersversorgung und eine ergänzende Überschussbeteiligung sein. "Ohne die Begrenzung durch einen Höchstrechnungszins würden hier bei steigenden Marktzinsen wieder langfristige Zinsgarantien möglich sein, die am Kapitalmarkt nicht abgesichert werden können. Eine Situation wie die heutige würde Solvency II alleine nicht verhindern können", erklärte Wilhelm Schneemeier, Vorsitzender des Vorstands der DAV.

BDV befürchtet Nachteile für Altverträge
Der Bund der Versicherten (BDV) befürchtet Nachteile für Altverträge, wie er in einem Statement schreibt. "Zwar sind die Garantien schon bestehender Verträge ziemlich sicher, die neuen Maßnahmen der Bundesregierung werden aber negativ auf die Überschüsse durchschlagen", so BDV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Sinkende Überschüsse könnten dann zu einer noch
unrentableren Altersvorsorge führen.

Im Hinblick auf das Neugeschäft werden seiner Ansicht nach dann künftig nur noch die "neuartigen und besonders intransparenten Tarife angeboten". Verschwinde der einheitliche Garantiezins, werde der Wettbewerb zudem intransparenter. Der Wegfall des Höchstrechnungszinses werde dazu führen, dass die Versicherer unterschiedliche Garantieverzinsungen anbieten, prophezeit Kleinlein weiter. Im Ergebnis könnte beispielsweise ein Versicherer, der von sich aus einen hohen Zins verspricht, selbst bei höherer Gesamtverzinsung einen niedrigeren Überschuss ausweisen, als ein Mitbewerber ohne jegliche Garantien. Selbst dann, wenn letzterer insgesamt eine geringere Gesamtrendite biete. (jb)