Ein Jahr nach dem Ausbruch des Arabischen Frühlings ist die anfängliche Euphorie einer Ernüchterung und wiederkehrenden Protesten gewichen. Malek Bou-Diab, Lead Portfolio Manager des BB African Opportunities Fonds, beleuchtet die Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontintent.

"Die wohl übertriebene Hoffnung auf eine rasche Verbesserung der Umstände wurde in der Tat etwas gedämpft durch das zögerliche Tempo des Wandels. Das Wirtschaftsgeschehen ist aber zwischenzeitlich wieder in die Gänge gekommen und die Märkte haben sich bereits etwas von den Unsicherheiten und den heftigen Rückschlägen an den Börsen vom letzten Jahr erholen können. Die Aktien sind aber nach wie vor attraktiv bewertet. Wenngleich die kurzfristigen Herausforderungen nicht ignoriert werden können, finden die langfristig attraktiven Wachstumschancen in den derzeitigen Aktienbewertungen kaum Berücksichtigung", erklärt Bou-Diab.

Verbesserung wirtschaftlichen Wohlergehens hat höchste Priorität
Nach Ansicht des Bellevue-Managers scheint der Markt – gefärbt durch die derzeitige Kakophonie – wichtige langfristige Fixpunkte aus den Augen verloren zu haben. Die höchste Priorität unter den Bürgern genieße die Verbesserung des wirtschaftlichen Wohlergehens. Das Forschungsprojekt "Arab Barometer" und Mark Tessler von der University of Chicago sind Vorreiter im Bereich unabhängiger politischer Meinungsforschung. Ihre im "Journal of Foreign Policy" veröffentlichten Ergebnisse bieten erste Erkenntnisse über die politischen Triebkräfte und die Stimmung in der Region. In Ägypten äußerten 84,2 Prozent der Befragten, dass wirtschaftliche Probleme die größte Herausforderung für ihr Land darstellen. In Tunesien teilten fast 70 Prozent der Befragten diese Meinung. Erstaunlich sei zudem, wie die Befragten "Demokratie" beschreiben. In Ägypten bezeichneten 64,4 Prozent der Befragten ein geringes Mass an Ungleichheit oder die Versorgung aller Bürger mit Gütern des täglichen Bedarfs als wichtigstes Merkmal einer Demokratie, in Tunesien lag der entsprechende Prozentsatz bei 69,4 Prozent.
"Diese Umfragen verdeutlichen, dass die politische Agenda primär vom Wirtschaftsgeschehen bestimmt wird und dass die neue politische Elite ökonomische Themen auf keinen Fall vernachlässigen darf. Das Volk fordert Reformen, die allen Gesellschaftsbereichen Nutzen bringen werden", so Bou-Diab.

Umorientierung in Richtung eines pragmatischeren Ansatzes
"Wenngleich Äußerungen fundamental-islamistischer Bewegungen zur Beunruhigung im Westen geführt haben, ist jedoch die zu beobachtende Umorientierung islamistischer Volksparteien in Richtung eines pragmatischeren Ansatzes – wie ihn etwa auch die türkische AKP verfolgt – maßgebender. Verschiedene Anzeichen – wie auch die oben erwähnten Umfrageergebnisse – deuten nämlich darauf hin, dass islamistische Parteien bei den Wahlen vielmehr von der Aufrichtigkeit und fachlichen Sachkenntnis einzelner Kandidaten sowie deren Referenzen im Kampf gegen die ehemaligen Regimes profitiert haben. Diese Kandidaten wurden nicht gewählt, um strenge islamische Programme umzusetzen", erklärte der Afrika-Experte.

Anleger treffen auf wohlwollendes Umfeld
Zu den wichtigsten Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft zählen ausländische Investitionen in den unterschiedlichsten Industriesektoren. Insbesondere für die rohstoffarmen Länder wie beispielsweise Ägypten und Tunesien treffe dies in besonderem Maße zu. Anleger dürften daher in diesen Ländern auf ein wohlwollendes Umfeld treffen. Dabei dürften etwa auch Aus- und Weiterbildungsprogramme sowie Infrastrukturinvestitionen in Bereichen wie Energie, Wohnbau und Transport zu weiteren bedeutenden Wachstumsimpulsen verhelfen.

"Nacht ist am dunkelsten, bevor die Sonne wieder aufgeht..."
"Investitionen in der Region verlangen im derzeitigen Umfeld einen Contrarian-Ansatz – die Fähigkeit, extreme Volatilitätsphasen zu überstehen – und ein wenig Geduld. Die langfristigen Anreize für Anleger sind intakt, vor allem auch in Anbetracht der weltweiten Alternativen. Andere Anleger wiederum mögen es vorziehen, zunächst erst einmal abzuwarten. Auch dieser Ansatz ist vertretbar, geht aber mit einem Timing-Risiko einher, denn zeichnet sich eine Stabilisierung der Lage ab, reagieren die Aktienmärkte äußerst schnell. Die lokale Bevölkerung ist für die Zukunftschancen ihres Landes optimistisch gestimmt. 84,4 Prozent der Ägypter sind überzeugt, dass ihre Regierung die wirtschaftlichen Probleme innerhalb von fünf Jahren meistern wird. Dieser Optimismus kann sich schon sehr bald wieder in den Kursen reflektieren. Die Nacht ist dann am dunkelsten, kurz bevor die Sonne wieder aufgeht...", so Bou-Diab abschließend. (mb)