Das Pflichtenheft wird immer länger. Künftig müssen freie Vermittler, die im Sachversicherungsbereich tätig sind, wegen rekordniedriger Zinsen auch die Finanzlage eines Versicherers kritisch prüfen. Lassen die Geschäftszahlen hier Probleme erkennen, darf der Makler eine Police dieses Versicherers eigentlich nicht länger empfehlen.

Diese Pflicht besteht zwar grundsätzlich auch im Lebensversicherungsbereich. Hier aber springt die Finanzaufsicht Bafin Maklern helfend zur Seite, wie Rechtsanwalt Thomas Leithoff von der Kanzlei Johannsen Rechtsanwälte aus Berlin bei einem Pressegespräch des Deutschen Anwaltvereins erläuterte.

Das ab dem 1. Januar 2016 geltende Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) gibt nämlich der Bafin, basierend auf der europäischen Solvency II-Richtlinie, einen Rahmen für Kontroll- und Eingreifmöglichkeiten bei Versicherungsunternehmen vor. Ziel ist es, eine Insolvenz zu vermeiden. Damit ist der Makler nach Ansicht von Leithoff selbst weniger stark in der Pflicht, die Behörde übernimmt schließlich einen Großteil der Arbeit zur Insolvenzabwehr.

Informelle Schritte zuerst
Vor den offiziellen Schritten stehen informelle Maßnahmen, so der Anwalt. Die Aufsicht setzt sich mit dem Versicherer zusammen, wenn sie der Meinung ist, dass dessen Bilanz wirtschaftliche Schieflagenerkenn lässt – nach dem Motto "wir machen uns Sorgen" – und versucht gemeinsam Lösungen zu finden. Diese Gespräche haben dem Anwalt zufolge bereits mehrere Unternehmen führen müssen.

Die zweite beziehungsweise erste offizielle Stufe ist, dass die Behörde einen Sanierungsplan anfordert. Dieser Plan, der zusammen mit der Bafin erarbeitet wird, muss darüber Auskunft geben, wie der Versicherer seine Eigenmittel aufstocken wird oder das Risikoprofil senkt. Können keine weiteren Eigenmittel aufgebracht werden, muss der Versicherer die Betriebskosten senken, die Anlagestrategie anpassen oder die Rückversicherungspolitik neu ausrichten, um in ruhiges finanzielles Fahrwasser zurückzukehren.

Finanzierungsplan als gemeinsamer Kraftakt
Die dritte Stufe ist der Finanzierungsplan. "Hier werden auch die Aktionäre herangezogen, die auf Ausschüttungen verzichten müssen, oder auch Muttergesellschaften, die verpflichtet werden, Gelder nachzuschießen", so Leithoff. Darüber hinaus kann die Aufsichtsbehörde zeitweise alle Arten von Zahlungen verbieten. Dazu zählen insbesondere Versicherungsleistungen, Gewinnverteilung und bei Lebensversicherungen der Rückkauf oder die Beleihung sowie Vorauszahlungen.

Leistungskürzung als finale Maßnahme
Ist eine Sanierung auch dadurch nicht möglich, ordnet die Bafin an, dass Leistungen aus den Versicherungsverträgen dem Vermögenstand entsprechend herabgesetzt werden. Dabei kann die Aufsichtsbehörde Leithoff zufolge ungleichmäßig verfahren und beispielsweise Altverträge mit einem Garantiezins von vier Prozent zuerst ins Visier nehmen. Auch die Übertragung des Bestandes an den Sicherungsfonds Protector ist eine Möglichkeit. Greifen alle diese Maßnahmen nichts, dann muss die Bafin die Insolvenz ausrufen. (jb)