1323161105.jpgFür Thomas Neuhold von der Bank Gutmann ist das gestiegene Problembewusstsein der beteiligten Akteure die beste Nachricht für Investoren – so kann eine beschleunigte Integration in Europa die negative Stimmung innerhalb von Monaten umkehren und zu einer "risk-on"-Rally führen. Gleichzeitig müsse man aber sehen, dass die Unternehmen weiterhin sehr dynamisch und durchaus optimistisch in die Zukunft blicken – insbesondere internationale Firmen lassen sich von der Eurokrise nur mäßig beeindrucken.

"Die Welt wird wohl mit einer konjunkturellen Schwächeperiode ins neue Jahr starten. Der im Spätsommer des Jahres 2011 vor allem in westlichen Industrienationen verzeichnete Stimmungseinbruch schlägt sich mittlerweile auch in handfesten Zahlen nieder. So haben die bedeutendsten Notenbanken ihre Wachstumsprognosen für das neue Jahr deutlich nach unten revidiert", meint Neuhold.

Derzeit nimmt die Schuldenkrise mit jeder Woche ein Stück zu – auch wenn man meint, es kann nicht mehr schlimmer werden. Der Grat, auf dem sich die Finanzwelt – und mit ihr die Weltwirtschaft – bewegt, wird immer schmaler. Wie kann man unter diesen Rahmenbedingungen wieder auf einen sicheren Weg kommen?

Anleihemanager verfallen in Depressionen
Aktienmanager verweisen auf die wachsenden Teile der Weltwirtschaft sowie auf die gesunden Gewinne und hohen Cashpolster der Unternehmen. Außerdem sind die Bewertungen der Unternehmen auch angesichts magerer Jahre durchaus günstig und ein Einstieg könnte sich gerade jetzt lohnen. Anleihemanager hingegen verfallen in Depressionen und beschwören apokalyptische Szenarien herauf. Generiert werden diese aus der Kombination von Sparmaßnahmen der Staaten bei gleichzeitiger Kreditverknappung durch die Banken. Ein fataler Mix, der dazu angetan ist, jedes Wachstum zu ersticken.

Regierungen, Notenbanken und Aufsichtsbehörden auf schmalem Grat
Auf einem schmalen Grat befinden sich auch die Regierungen, Notenbanken und Aufsichtsbehörden: Die Regierungen müssen genug sparen, um sich auf einen nachhaltigen Verschuldungspfad zu begeben – aber nicht so viel, dass die Wirtschaft endgültig zum Erliegen kommt. Die Notenbanken müssen Deflation vermeiden und die Verschuldungsproblematik mit mäßiger Inflation (vielleicht drei oder vier Prozent?) erleichtern, ohne das Vertrauen in die Geldwertstabilität zu gefährden. Die Aufsichtsbehörden wiederum müssen die Banken stabilisieren, ohne einen "credit crunch" auszulösen. Es stellt sich die Frage, welche Unternehmen bei so vielen ungelösten Aufgaben überhaupt investieren wollen?

Zwei weitere Optionen im Mittelpunkt der politischen Diskussion
Nach Meinung von Neuhold müssen die anstehenden Aufgaben in Angriff genommen werden. Allerdings sieht es für den Bank Gutmann-Experten so aus, als würde das nicht genügen. Es stehen nämlich noch zwei weitere Optionen im Mittelpunkt der aktuellen politischen Diskussion. Zum einen üben die Regierungen Druck auf die Zentralbanken aus, mittels "quantitative easing" und Ankauf von Staatsanleihen die Renditeaufschläge der Peripheriestaaten zu begrenzen. Im Vergleich zur Federal Reserve Bank (Fed) oder zur Bank of England (BoE) war die Europäische Zentralbank (EZB) in dieser Hinsicht eine Taube, denn in den USA und in England wurden massiv Staatsanleihen aufgekauft. Würde die EZB ein ähnliches Programm starten, könnte sie die halben Peripherieschulden übernehmen. Zum anderen kommen immer wieder neue Ideen auf, wie man die Schulden der Länder vergemeinschaften könnte. Schlagworte in diesem Zusammenhang sind "Eurobonds", "Stabilitätsbonds" oder "Elitebonds". "Trotz aller negativen Implikationen dieser beiden Optionen ist doch eines festzuhalten: In der aktuellen Situation sind wohl beide zu einem gewissen Grad notwendig, um Zeit für strukturelle Maßnahmen zu gewinnen. Irland, Italien und Spanien sind auf einem guten Weg, ihre Situation selbst zu verbessern. Allerdings wird es unserer Ansicht nach externe Maßnahmen brauchen, um die Dynamik umzukehren", erläutert Neuhold.

Asien weiterhin sehr dynamisch
Wenn man Europa verlässt und die globalen Wachstumsperspektiven betrachtet, ist insbesondere Asien weiterhin sehr dynamisch. China als Lokomotive ist unter Dampf – die "hard-landing"-Ängste teilt der Experte nicht. Auch die USA befinden sich in besserer Verfassung: Der Immobilienmarkt hat sich weitgehend beruhigt, die Konsumausgaben steigen langsam und auch der Arbeitsmarkt entwickelt sich leicht positiv. Ähnlich wie in Europa bremst aber auch hier die Politik den Fortschritt.

Neuholds Schlussfolgerung: "Wir sind der Auffassung, dass es für die Politiker Europas allerhöchste Zeit ist, die notwendigen Schritte zu setzen. Der Glaube daran leidet allerdings zusehends. Aus diesem Grund sind wir noch sehr vorsichtig und fokussieren auf Qualität sowohl bei unseren Anleihen- als auch unseren Aktieninvestments." (mb)