Notenbankchefs sind Meister der Diplomatie. Alan Greenspan und Ben Bernanke, Ex-Chefs der amerikanischen Fed, beherrschten die Kunst der leisen Töne – anders als ihre Nachfolgerin. Die mag es bisweilen deftig: Mit konkreten Statements zu den Aussichten der amerikanischen Biotechbranche sorgte Janet Yellen im Juli 2014 für Aufsehen. Die teils hohen Börsenbewertungen der boomenden Industrie bereiteten ihr Sorgen, sagte sie. Heute zeigt sich auf traurige Art, wie richtig sie damit lag.

Die Geduld von Pharma- und Biotech-Investoren wird zurzeit auf eine harte Probe gestellt. Ein Blick auf die Datenbank von FONDS professionell zeigt, dass viele Branchenfonds aus dem Biotech-, Medizin- und Gentechnikbereich, welche die Performancelisten lange Zeit anführten, nun am unteren Ende des Klassements zu finden sind. Über die zurückliegenden 30 Tage sind zehn von zehn (!) Flop-Fonds dem Branchenindex "Gesundheit/Pharma/Biotechnologie" zuzurechnen. Über das zurückliegende Halbjahr gilt dies immerhin für 50 Prozent der Performanceverlierer.

War's das schon?
Die Blase, vor der Yellen und viele andere gewarnt haben, scheint geplatzt zu sein. Einen vorerst letztmaligen Kursschub erhielt der Sektor durch den Anfang Dezember 2015 angekündigten, satte 160 Milliarden Dollar schweren Schulterschluss des Viagra-Herstellers Pfizer und des Botox-Produzent Allergan. Die einstigen Renditelieferanten unter den Fonds sind seither tief in die roten Zahlen gerutscht: Am schlimmsten hat es, gemessen an den FIAP-Daten über den zurückliegenden Monat, den DWS Biotech und den ESPA Stock Biotec erwischt. Beide haben rund ein Viertel ihres Wertes eingebüßt. Nur unwesentlich besser erging es den Biotech-Fonds von Franklin Templeton, Allianz Global Investors und anderer prominenter Investmenthäuser.

Die Frage, die sich Anleger stellen, lautet: Ist die Talsohle erreicht? Experten und Analysten geben sich angesichts ihrer verfrühten Einstiegsempfehlungen im Spätherbst vorerst zurückhaltend. Die Argumente jener, die schon wieder zu einem Investment in den Markt raten, sind nicht neu: Investmentprofis schätzen vor allem die große Widerstandsfähigkeit der Geschäftsmodelle vieler Biotech-Branchenführer selbst in konjunkturellen Schwächephasen. Medizinische Innovationen, der Aufbau funktionsfähiger Gesundheitssysteme in zahlreichen Schwellenländern, die generelle Zunahme von Zivilisationskrankheiten und – allen voran – die zunehmende Überalterung der Bevölkerung in den westlichen Industriestaaten sind die langfristigen Wachstumstreiber der Branche.

Arzneimittelpreise in der Diskussion
Die Industriestaatenorganisation OECD rechnet mit einer Verdopplung des Volumens des Gesundheitsmarkts im Zeitraum von 2010 bis 2035, bis 2060 soll er sich sogar vervierfachen. Doch vorerst, so der Konsens zahlreicher Analysten, dürfte die Diskussion um eine stärkere gesetzliche Regulierung von Arzneimittelpreisen im globalen Gesundheitsmarkt Nummer Eins, den USA – angefacht durch den an Tempo gewinnenden Präsidentschaftswahlkampf – die Korrektur wohl noch eine Weile am Leben erhalten. (dw)