Mit dem Brexit-Entscheid betreten nicht nur die Europa und seine Politiker Neuland, auch deutsche Kunden von britischen Versicherungsgesellschaften sowie deren kooperierende Vermittler stehen nun vor der Frage, wie es weitergeht. FONDS professionell ONLINE hat sich erkundigt. Die Versicherer geben, wie auch britische Asset Manager, erst einmal das Signal aus: Ruhe bewahren!

Das unterstreicht auch die Finanzaufsicht Bafin. Und für Vermittler von Policen englischer Anbieter hat die Redaktion ebenfalls gute Nachrichten: Gravierende Haftungsprobleme werden sie nach allem menschlichen Ermessen keine bekommen.

Ähnlich wie Asset Manager arbeiten britische Versicherer auf dem deutschen Markt mit dem EU-Pass: Sie benötigen keine eigene Genehmigung der Bafin, sondern brauchen dieser nur ihre Tätigkeit hierzulande anzuzeigen – immer vorausgesetzt, sie haben die entsprechende Erlaubnis der britischen Versicherungsaufsicht. Mit dem Austritt wird das Vereinigte Königreich automatisch ein Drittland, der EU-Pass verfällt somit. Anbieter wie Canada Life, die gemeinhin als angelsächsisch wahrgenommen werden, sitzen aber tatsächlich in Irland und sind vom Brexit nicht betroffen.

Zukunft abhängig von Verhandlungen
Die Bafin teilte auf Anfrage der Redaktion mit, dass die tatsächlichen Auswirkungen für die deutschen Kunden von den Verhandlungen über die Einzelheiten des Austritts abhängen. Würde Großbritannien tatsächlich künftig als Drittstaat behandelt, würden die Erleichterungen des Europäischen Passes nicht mehr greifen. Jedoch gebe es auch andere Arten der Anbindung an die EU: Großbritannien könnte zum Beispiel am Europäischen Wirtschaftsraum EWR teilnehmen und so weiterhin die Vorschriften des Europäischen Passes nutzen.

Eine andere bekannte Möglichkeit: Britische Versicherer gründen in Deutschland eine Tochtergesellschaft, die unter dem deutschen Recht agiert und so die Policen weiterführt.

Geringes Geschäft
Die Aufsicht betont in diesem Zusammenhang, dass diese Probleme nicht viele Kunden betreffen, da der Umfang des gezeichneten Versicherungsgeschäfts britischer Gesellschaften als "gering" einzustufen sei: Die Bruttobeiträge aus dem Niederlassungs- und Dienstleistungsgeschäft britischer Versicherungsgruppen in Deutschland summierte sich 2014 auf rund 3,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Beitragseinnahmen der deutschen Versicherer über alle Sparten betrugen 2015 rund 193 Milliarden Euro.

Standard Life, eine der wenigen betroffenen Gesellschaften, betont, dass man nun erst einmal zwei Jahre Zeit habe, um sich neu aufzustellen. "Standard Life hat eine starke Erfolgsbilanz, und wir haben bereits mehrfach unter Beweis gestellt, dass wir uns erfolgreich an sich verändernde Märkte, neue gesetzliche Rahmenbedingungen und an unser sich stetig entwickelndes Umfeld anpassen können. Entsprechend werden wir vorbereitet sein und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um unsere Geschäftspartner, Kunden und andere in unser Unternehmen involvierte Parteien auch weiterhin unterstützen zu können", heißt es weiter in einer Pressemitteilung. Daher seien auch die Verträge der deutschen Kunden nicht betroffen, hier werde sich nichts ändern.

Der Sachversicherer Lloyd’s wird auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE deutlicher: "In Kürze werden wir mit unseren wesentlichen Stakeholdern in der Regierung in Großbritannien und den EU Märkten Gespräche aufnehmen und sicherstellen, dass weiterhin uneingeschränkte Zugangsrechte zu den Märkten bestehen – insbesondere in Deutschland, einem für Lloyd’s besonders bedeutsamen Markt", erklärte Jan Blumenthal, Hauptbevollmächtigter und Country Manager Germany and Austria von Lloyd´s Versicherer in London.

Hiscox betonte gegenüber der Redaktion ebenfalls, dass das Vortum keinerlei Auswirtkungen auf bestehende Verträge habe. Der Spezialversicherer sagte auch klar, dass die Gründung einer europäischen Tochter eine Option für die Zukunft ist.

Rechtsanwalt mahnt Vermittler zur Ruhe
Schließlich hat der der Berliner Fachanwalt Norman Wirth beruhigende Nachrichten für Versicherungsvermittler, die mit den Gesellschaften zusammenarbeiten und Probleme befürchten könnten: "Ich sehe aktuell keinen Grund, diese Versicherer nicht mehr zu vermitteln. Die Aufsicht über diese Gesellschaften führt heute schon primär die Versicherungsaufsichtsbehörde des Herkunftslandes. Die Voraussetzung für den Versicherungsvertrieb in Deutschland über die Genehmigung durch die Bafin werden sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft haben", so der Experte gegenüber FONDS professionell ONLINE.

Zudem mahnt er die Vermittler zur Ruhe: "Keine übereilten Entscheidungen! Ich bin überzeugt davon, dass diese Gesellschaften in Kürze mit eigenen Statements, Informationen und Empfehlungen an die Vermittler herantreten werden. Dann können diese gegebenenfalls immer noch hinterfragt werden", so Wirth. Und auch für ein sehr unwahrscheinliches Szenario, dass Vermittler von britischen Policen nun mit Regressforderungen überzogen werden, da sie diese trotz des Referendums empfohlen haben, gibt er grünes Licht: "Ich sehe keine Haftungsrelevanz." (jb)