Monatlich etwa 1.000 Euro für jeden Bundesbürger umsonst: Ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) würde Menschen nicht nur dabei helfen, eigene Pläne zu realisieren und sich so verstärkt in die Gesellschaft einzubringen. Es könnte auch jungen Familien finanzielle Sicherheit bieten, damit sie Beruf und Privatleben besser unter einen Hut bekommen. Ein BGE könnte die Folgen des technologischen Wandels mildern – und es würde die private Altersvorsorge stärken. Argumente dieser Art führen die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens ins Feld. Doch kann das Modell wirklich funktionieren?

"Ich halte die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens durchaus für interessant, in der Praxis wird sich dies aber nicht umsetzen lassen", erklärte Kristina Schröder (CDU), ehemalige Bundesministerin für Familie, Frauen, Senioren und Jugend bei der Podiumsdiskussion, die den zweiten Tag des 20. FONDS professionell KONGRESSES in Mannheim eröffnete. Schröder debattierte auf dem Panel mit Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), und Henning Vöpel, Vorstand des Centrums für Europäische Politik. Richard David Precht, Schriftsteller, Philosoph, Publizist und Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens, moderierte die Diskussion.

42 Arbeitsstunden wöchentlich
"Natürlich führt der demografische Wandel dazu, dass wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie sich das bisherige Rentensystem künftig noch finanzieren lässt", sagte Schröder. Den jüngsten Vorschlag von Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), die Bundesbürger sollten in naher Zukunft wieder 42 Stunden pro Woche arbeiten, sieht sie als eine Möglichkeit: "Wir werden länger arbeiten müssen, sonst wird die umlagefinanzierte Rente nicht mehr funktionieren." Zudem müssten die private und die berufliche Altersvorsorge ausgebaut werden. Die Rente und weitere soziale Sicherungssysteme durch ein BGE zu ersetzen, sieht Schröder hingegen als den falschen Weg.

Abgesehen von der Frage der Finanzierung konterkariere ein bedingungsloses Grundeinkommen auch ihr Menschenbild. "Ich habe die Vorstellung, dass Menschen gern arbeiten und damit die Gesellschaft tragen", sagte Schröder. Bekäme jeder Bundesbürger monatlich eine gewisse Summe umsonst, so würden sich viele wahrscheinlich fragen, ob sie noch einen Nutzen für die Allgemeinheit erbringen. Fiele die Antwort negativ aus, könnte sich der eine oder andere komplett zurückziehen.

Produktiver arbeiten
Henning Vöpel erkennt ein anderes Problem. Eine Modernisierung und vor allem Flexibilisierung von Sozialstaat, Arbeitsmarkt und Bildungssystem seien angesichts der technologischen und gesellschaftlichen Umbrüche natürlich notwendig. "Wir müssen nicht mehr, sondern produktiver arbeiten", erklärte er. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das den Bundesbürgern die Freiheit gibt, den Job zu ergreifen, der sie erfüllt, könnte dazu führen, dass Menschen gern, daher länger und produktiver beruflich tätig sind, warf Precht ein. 

"Das Modell ist aber nicht fairer, sondern stellt lediglich eine Umverteilung weg von den Bedürftigen und hin zu den weniger Bedürftigen dar", konterte Vöpel. Es sei jedoch die Aufgabe der Demokratie, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Menschen bedürfnisgerecht unterstützt werden können. "Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine Art 'Flatrate' für alle, es wäre eben nicht bedarfsgerecht", sagte der Experte. "Darin sehe ich die Bankrotterklärung für den Sozialstaat", erklärte Vöpel.

Breit angelegter Modellversuch
Das wäre es nicht, findet DIW-Chef Fratzscher. "Wir haben hierzulande mit Hartz IV bereits ein Grundeinkommen, aber es ist nicht bedingungslos", erläuterte er. In einem breit angelegten Modellversuch, werde derzeit erprobt, was geschieht, wenn die Bedingungen entfallen. Diesen Versuch unternimmt die Initiative "Mein Grundeinkommen", die über eine Art Crowdfunding eben solche Einkommen finanziert und verlost. "Enorm viele Menschen finden dieses Modell gut und unterstützen es mit Spenden", berichtete Fratzscher.

Er selbst ist der Ansicht, eine soziale Sicherung sollte nicht darauf angelegt sein, lediglich Löcher zu stopfen, Menschen ruhig zu stellen. Sie dürfe nicht daran hindern, Risiken einzugehen. "Schauen wir uns zum Beispiel junge Familien an, die beruflich gern etwas wagen würden, es aber nicht können, weil sie Verantwortung tragen", sagte Fratzscher. Eine finanzielle Grundsicherung könne dazu beitragen, dass mehr Bundesbürger ihrer inneren Motivation folgen, Risiken eingehen, erfolgreich werden und so Werte schaffen. "Wir müssen den Menschen mehr Freiheit geben, Eigenverantwortung zu übernehmen", konstatierte Fratzscher. (am)