Die Branche rechnet schon seit knapp drei Monaten damit, nun hat die EU-Kommission es offiziell verkündet: Sie schlägt vor, den Start der europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid II um ein Jahr zu verschieben. Damit wird das Regelwerk erst am 3. Januar 2018 in Kraft treten. Das Europäische Parlament hatte der Verschiebung schon vor Wochen zugestimmt. Ein Veto des EU-Ministerrates gilt als höchst unwahrscheinlich, darum kann sich die Finanzindustrie nun auf ein "Scharfschalten" der Richtlinie in knapp zwei Jahren einstellen (lesen Sie hierzu auch den Kommentar von FONDS professionell-Chefredakteur Bernd Mikosch: "Eine Chance für die Branche").

Die "Technischen Standards" und "delegierten Rechtsakte", in denen für die Branche wichtige Details geregelt werden, sollen dennoch schon "in Kürze" vorgelegt werden, so die Kommission. Auch an der nationalen Umsetzung bis zur Jahresmitte soll nicht gerüttelt werden.

Level-II-Maßnahmen sollen bald vorgelegt werden
Die Kommission begründet die einjährige Verzögerung des Mifid-II-Startes mit den großen Problemen der Behörden bei der Implementierung der Richtlinie. Der Pressemitteilung zufolge muss die europäische Finanzmarktaufsicht ESMA Daten von 300 Handelsplätzen und 15 Millionen Finanzprodukten sammeln. Dies sei nur durch eine enge Zusammenarbeit der ESMA mit den nationalen Aufsichtsbehörden und den Handelsplätzen möglich. Die dazu notwendigen IT-Systeme würden aber bis zum ursprünglich geplanten Start am 3. Januar 2017 nicht bereit sein, so dass eine Verlegung des Startdatums unumgehbar sei.

Die EU-Kommission betont aber zugleich, dass die Verschiebung keine Auswirkungen auf den Zeitplan für die Vorlage der sogenannten "Level II"-Durchführungsmaßnahmen haben soll. Diese für die Branche wichtigen Detailregeln – etwa, unter welchen Voraussetzungen Finanzdienstleister weiterhin auf Provisionsbasis arbeiten dürfen – werde man unabhängig von dem neuen Anwendungsstichtag voranbringen, was die Rechtssicherheit erhöhen solle, teilte die Kommission mit. "Die entsprechenden Maßnahmen werden wir aller Voraussicht nach in Kürze vorstellen", sagte der zuständige EU-Kommissar Jonathan Hill. In der Änderungsrichtlinie heißt es, die "Technischen Standards" und "delegierten Rechtsakte" sollen bis Mitte 2016 vorliegen.

Nationale Umsetzung bis Anfang Juli
Auch den einzelnen Mitgliedstaaten wird für die konkrete Umsetzung der Mifid II nicht mehr Zeit gegeben als ursprünglich geplant. Demnach muss das Regelwerk bis 3. Juli dieses Jahres in nationales Recht übertragen sein, obwohl einige EU-Länder mehr Zeit für die Umsetzung gefordert hatten (FONDS professionell ONLINE berichtete). Festgezurrt ist dieser Termin in einem Unterabsatz der Richtlinie, der durch die nun vorgelegte Änderungsrichtlinie nicht angefasst wird.

"Meines Erachtens bleibt es somit dabei, dass die Mitgliedstaaten die Mifid II bis zum 3. Juli 2016 umzusetzen haben", teilte Rechtsanwalt Sebastian Wintzer von der Kanzlei Waigel aus München FONDS professionell ONLINE mit. Ein Sprecher der Kommission bestätigte das auf Anfrage der Redaktion: Verschoben werde nur die Anwendungsfrist, am Umsetzungsdatum dagegen ändere sich nichts. "Der überarbeitete Vorschlag beinhaltet keine Ausweitung der Frist, während der die Mitgliedstaaten Mifid II umsetzen müssen", sagte er. (jb/bm)