Die Kurse vieler Aktien haben im ersten Halbjahr kräftig zugelegt. Der US-Leitindex S&P 500 stieg in US-Dollar gerechnet und inklusive Dividenden um 15,2 Prozent. Nicht wenige Anleger dürften sich mittlerweile fragen, ob es sinnvoll ist, einen Teil ihrer Aktien zu verkaufen und Gewinne mitzunehmen. Thomas Lehr, Kapitalmarktstratege bei Flossbach von Storch, hat dazu eine ebenso klare wie knapp formulierte Meinung: "Nein." Anleger sollten nicht der Versuchung erliegen, Markttiming zu betreiben, also zu vermeintlich günstigen Zeitpunkten Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen, warnt er. Denn in den meiste Fällen geht das fürchterlich schief. "Das haben Generationen von Anlegern lernen müssen. Beharrlichkeit ist stattdessen gefragt – und Geduld."

Wer jetzt Kursgewinne realisiert, dem entgehen womöglich satte Erträge im zweiten Halbjahr. Blickt man auf vergangenen Jahre, folgte nämlich auf eine gute erste Jahreshälfte oft eine ebenso gute zweite. Zum Beispiel an der Wall Street: Der S&P 500 lag seit dem Zweiten Weltkrieg in insgesamt 22 Jahren per Ende Juni mehr als zehn Prozent im Plus. In 18 dieser Jahre, also in rund 82 Prozent der Fälle, legte er bis Ende Dezember weiter zu – im Median um weitere knapp zehn Prozent.

Aktien sind noch nicht zu teuer
Natürlich lässt sich nicht sicher sagen, ob sich die Hausse auch im laufenden Jahr fortsetzt, betont Lehr. Aus der Historie kann man aber nicht ableiten, dass es eine gute Idee wäre, nach einem erfolgreichen ersten Halbjahr Gewinne mitzunehmen. "Von einer kurzfristigen Geldanlage nach dem Motto: 'Was soll nach einem guten Halbjahr noch kommen?' raten wir grundsätzlich ab", sagt der Flossbach-Stratege. Hinzu kommt: Aktien sind angesichts steigender Unternehmensgewinne und geringer Renditechancen in anderen Anlageklassen noch nicht überbewertet, sagt Lehr. Es spricht also nichts dagegen, investiert zu bleiben. (fp)