Wenn Hans-Jürgen Bretzke Tag für Tag neue Jubelmeldungen über Fintech liest, kann er nur den Kopf schütteln. Die Start-ups böten weder neue Technik noch überlegene Geschäftsmodelle, ist der Vorstand des Maklerpools Fondskonzept überzeugt. "Es ist falsch, das digitale Nutzungsverhalten eins zu eins von sozialen Medien auf Finanzapplikationen zu übertragen", schreibt er im folgenden Gastbeitrag für FONDS professionell ONLINE. Klassische Berater seien nach wie vor gefragt, Angst vor Fintechs müssten sie nicht haben. (bm)


Fintechs: Es ist nur eine holprige Abkürzung, aber sie versetzt scheinbar die gesamte Branche in Aufruhr. So wird schon gemunkelt, dem klassischen Berater mit seinem traditionellen Face-to-Face-Kundenkontakt drohe mit dem Siegeszug der Finanztechnologieunternehmen das Aus. Das ist sicherlich übertrieben, vielmehr ist die Frage zu stellen: Wie viel Substanz haben Fintechs im Vergleich zu den bekannten Beratungsmodellen wirklich? Was können die etablierten Berater vielleicht sogar von ihnen lernen und wo sind sie überlegen? Es ist an der Zeit, die Fakten sprechen zu lassen.

Bieten Fintechs neue Produkte an? Nein. Im Gegenteil. Sie beschränken ihr Angebot auf wenige standardisierte Produkte mit einem geringeren Beratungsbedarf. Sind Fintechs günstiger? Nein. Nur auf den ersten Blick. So bevorzugen sie den Online-Kontakt statt persönlicher Beratung und arbeiten in der Vermögensanlage überwiegend mit passiven ETFs. Haben Fintechs mehr oder potenzialstärkere Kunden als klassische Finanzdienstleister? Nein, ihre Kundenbestände sind im Vergleich zu denen der Banken und unabhängigen Finanzdienstleister (noch) verschwindend gering. In der Regel sprechen sie zudem den klassischen Mengenkunden mit geringeren Deckungsbeiträgen an. Machen Fintechs ein gutes Marketing? Ja, denn sie nutzen die Gunst der Stunde, indem sie das allseits präsente Thema der Digitalisierung aktiv besetzen sowie das Thema Kosten und Service in den Mittelpunkt ihrer Marketingstrategie stellen.

Bieten Fintechs die bessere Beratung? Nein. Keiner wird bestreiten, dass ein persönliches Gespräch einen Online-Anschluss bei einem guten Berater rein qualitativ betrachtet in den Schatten stellt. Ob es bei jedem Finanzprodukt notwendig und für den einzelnen Kunden und Berater im Hinblick auf Kosten und Zeit sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Diese Frage können Makler mit intelligenten Lösungen einer Kombination von Online-Beratung sowie Präsenzberatung beantworten. Die Bausteine für einen Auftritt, die den Fintechs erst ihren innovativen Anstrich geben, sind bereits heute vorhanden. Sie müssen nur eingesetzt werden, egal ob elektronische Unterschrift, Online-Finanzordner, Online-Abschluss-Tools oder Vergleichsrechner.  

Kopier- und austauschbar
Ich wage die Aussage, dass jeder Vermittler mit einem durchschnittlichen Bestand und Netzwerk einem Fintech allein durch seine Kundenkontakte überlegen ist. Die Kunst der Fintechs besteht letztendlich darin, eine anwendungsaffine Klientel mit einem modernen Angebot anzusprechen. Dieser Wettbewerbsvorteil ist kopier- und austauschbar – nicht nur unter den Fintechs, sondern auch unter den etablierten Finanzdienstleistern. Es kommt vielmehr auf die Vernetzung und den zielgruppengesteuerten Einsatz der verschiedenen Vertriebskanäle an. Eigene Stärken konsequent herausstellen, ausbauen und mit neuen Beratungs- und Customer-Relationship-Ansätzen verbinden, heißt hier die Maxime des Handelns. Dies bedeutet in der Praxis für jeden Makler, zunächst die Hausaufgaben zu machen und sein Geschäftsmodell im Hinblick auf Stärken und Schwächen, Kundenpotenzial und die Ausschöpfung der neuen technischen Möglichkeiten zu optimieren. Der Erfolg liegt vor allem darin, die eigenen Kunden zu kennen und differenziert anzusprechen.

Nach den Ergebnissen mehrerer Studien beschäftigt sich der Durchschnittsdeutsche nach wie vor ungern mit Finanzfragen, weder offline noch online. Insofern ist es falsch, das digitale Nutzungsverhalten eins zu eins von sozialen Medien auf Finanzapplikationen zu übertragen. Allein die bloße Anwendung verbessert zudem nicht die Grundbildung in Finanzangelegenheiten. Vielmehr besteht die Gefahr, durch eine zu große Vereinfachung von komplexen Zusammenhängen die falschen Entscheidungen zu treffen. Hier ist der Einsatz des klassischen Beraters gefragt, der seinem Kunden als fachlicher wie technischer Assistent bei Online-Anwendungen zur Verfügung steht. Als Plattform für die eigene Sichtbarkeit, Kundenakquise und die Nutzung von innovativen Online-Tools dient der hauseigene Internetauftritt des Maklers, der sich mit wenig Aufwand auf das Niveau der Fintechs oder darüber bringen lässt.

Fazit: Keine Angst vor Fintechs. Mit der richtigen Strategie und dem richtigen Dienstleister können Finanzmakler bereits heute ihre eigene intelligente Online-Plattform aufbauen und nachhaltig die Weichen für den eigenen Markterfolg stellen.