Geht es nach der Bundesregierung, soll der Höchstrechnungszins bei der Lebensversicherung – umgangssprachlich auch "Garantiezins" genannt – ab dem 1. Januar 2016 wegfallen. Übersetzt bedeutet das nichts anderes, als dass die Regierung den Versicherern künftig nicht mehr vorgeben will, welchen Mindestertrag sie Kunden bei einer klassischen Lebensversicherung versprechen dürfen. Denn der Höchstrechnungszins ist die entscheidende Information, wie viel ein Versicherer mindestens für das Ersparte garantieren muss. Die Garantie ist also gewissermaßen der Sockel der Vertragsleistungen. In der Regel kommen noch die sogenannten Überschüsse hinzu, die der Versicherer zum Beispiel durch erfolgreiche Kapitalanlagen erzielt.

Auf den ersten Blick scheint der Wegfall des Höchstrechnungszinses aus Kundensicht alarmierend – schließlich schätzen deutsche Sparer Sicherheit ganz besonders und verzichten auf Garantien nur ungern. Tatsächlich birgt die neue Vorgabe nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Zur Frage, ob die Abschaffung des Garantiezinses gut oder schlecht für Lebensversicherungskunden ist, sprach FONDS professionell ONLINE mit Andreas Bürse-Hanning, Vorstandschef des Versicherungsmaklers Aures Finanz AG in Mühlheim an der Ruhr.

Warum soll der Höchstrechnungszins jetzt abgeschafft werden?

Andreas Bürse-Hanning: Offizieller Grund ist die Einführung des europäischen Regelwerks zur Kapitalausstattung der Versicherer zum 1. Januar 2016 (Solvency II). Das Regelwerk gibt vor, wie hoch bestimmte Anlageklassen mit Kapital hinterlegt werden müssen. Auch Garantieversprechen müssen mit einem bestimmten Anteil an Eigenkapital abgesichert sein. Mit diesen neuen Vorgaben zur Kapitaldeckung werde "der bisherige Höchstrechnungszins für die Zwecke der Aufsicht nicht mehr benötigt", heißt es vom Bundesfinanzministerium.

Demnach wird es aus Ihrer Sicht künftig also keine Lebensversicherungspolicen mit Garantieversprechen mehr geben?

Bürse-Hanning: Nein, es wird Versicherern auch künftig möglich sein, Lebensversicherungen mit einer garantierten Verzinsung anzubieten. Allerdings müssen sie dafür die Eigenkapitalvorschriften, die sich aus Solvency II ergeben, erfüllen. Grundsätzlich müssen die Versicherer umso mehr Kapital für die Garantien zurückhalten, je weiter die mittlere Laufzeit der Anlagen und die mittlere Laufzeit der Garantien auseinanderliegen. Garantien sind also weiterhin teuer für die Versicherer.

Wird nun wieder ein Wettbewerb um die höchsten Garantien entbrennen?

Bürse-Hanning: Das ist unwahrscheinlich. Große Versicherer haben sich zuletzt immer mehr von den Garantiepolicen verabschiedet. Ergo, Talanx und Generali verzichten bereits ganz darauf. Der Marktführer Allianz behält Garantiepolicen noch im Vertrieb, wirbt aber ebenfalls für Verträge, die statt einer garantierten Mindestverzinsung eine Erhaltungsgarantie auf die Bruttobeitrage enthalten. Wahr ist aber auch: Mit der Sehnsucht der Deutschen nach Sicherheit verkaufen sich Garantiepolicen gut. Anbieter wie die Alte Leipziger bestätigen bereits, dass Sie auch weiterhin Garantiepolicen anbieten werden.

Was sollen Kunden tun, die bereits eine Lebensversicherungspolice haben?

Bürse-Hanning: Für Kunden, die bereits eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, ändert sich nichts. Vor allem, wer noch über Garantieversprechen aus der Vergangenheit von drei Prozent und mehr verfügt, sollte unbedingt versuchen, den Vertrag bis zum Laufzeitende weiterzuführen.

Vielen Dank für das Gespräch. (hh)